7. Mai 2025

Emotionen auf der Tonspur

Emotionen auf der Tonspur

Die Rolle von Musik in der Werbung wird unterschätzt. Ein neuer Studienansatz dokumentiert den starken Einfluss auf die Werbewirkung.

Wenn man sagen kann, an welches Werbelied aus dem Fernsehen man sich noch erinnert, steht fest, zu welcher Fernsehgeneration man gehört. Einen Insight dazu jetzt im CreaKompass Kids.

Wer von den vor 1980 Geborenen könnte nicht den Song vom "Zott Sahne Joghurt" nachsingen? Oder das "Käpt’n Iglo"-Lied? Das Wiedererkennen von Liedern und die Ver-knüpfung mit Absendermarken unterliegt kaum dem Vergessen, ähnlich wie Gerüche. Marken, die ihre Anker akustisch in der Kindheit der Verbraucher festgemacht haben, profitieren ein Leben lang von dieser Investition. Musik ist einer der stärksten Emotionalisierer, die man sich denken kann.

Kinder wie auch Erwachsene reagieren stark auf Musik, Sounduntermalung, Jingles oder verschiedene Sprecherstimmen. Dabei fällt auf: Spielt die Musik im Spot eine prägnante Rolle, kann sie nicht nur ausgeprägte emotionale Nähe bewirken, sondern auch zu gesteigerter Wahrnehmung von Relevanz und Attraktion führen. Das zeigte sich an den getesteten Spots von Iglo, Mirácoli, nimm2 soft und PAULA, in denen musikalische Elemente die Kinder zum Mitmachen animierten.

Ohne Ton ist die Bildwirkung flach

Das Bild zeigt ein Liniendiagramm mit mehreren farblich gekennzeichneten Linien, die verschiedene Emotionen oder Konzepte über eine Zeitachse darstellen. Die Linien repräsentieren 'liking', 'smart', 'closeness', 'relevance', 'attraction', 'skepticism' und 'distress'. Die vertikale Achse reicht von -1,5 bis 1,5, wobei die Nulllinie als Ausgangspunkt dient. Jede Emotion zeigt einen unterschiedlichen Verlauf, wobei einige Werte steigen und andere fallen, was auf Schwankungen in der Intensität dieser Konzepte hinweist.
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Mit Ton geht das emotionale Erleben richtig ab

Das Bild zeigt eine Liniengrafik mit mehreren bunten Linien, die verschiedene emotionale Zustände darstellen. Die horizontale Achse repräsentiert eine unbestimmte Zeitachse oder Kategorien, während die vertikale Achse Werte von -1,5 bis 1,5 anzeigt. Die Linien sind in verschiedenen Farben gehalten, darunter Blau, Rot, Orange, Grün, Lila, Rosa und Türkis, und symbolisieren emotionale Zustände wie 'liking', 'trust', 'closeness', 'relevance', 'attraction', 'skepticism' und 'distress'. Die Linien schneiden sich mehrfach und zeigen Schwankungen in den dargestellten Werten.
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Ton bringt Leben in den Spot

Als Stimulusmaterial dienten verschiedene TV-Spots für die Kinder-bzw. Familienzielgruppe. So sah z. B. ein Teil der Probanden einen Werbespot von Toffifee mit Ton – einem emotionalen Gitarrensong – die anderen schauten sich den Spot ohne Tonspur an und sahen emotionale, aber stumme Bilder einer glücklichen Familie.

Die Reaktionen wurden mittels der psychophysiologischen heart.facts-Methode* gemessen, die Teilnehmer wurden im Anschluss tiefeninterviewt. Das Resultat war eindeutig. Die gemessenen biometrischen Signale, die von september zu emotionalen KPIs verdichtet wurden, zeigten ohne Ton eine relativ flache Dramaturgie: Das seelische Erleben war verhältnismäßig schwach ausgeprägt. Die Ergebnisse aus der Messung mit Ton hingegen zeigten ein äußerst bewegtes Bild (s. Abb.). Musik bringt Bewegung in die Seele.

Mitreißende Musik aktiviert

Das alte „Käpt’n Iglo“-Lied von 1988 ist eine Abwandlung eines Marsches von 1863, der stark motivierende, mitreißende Elemente beinhaltet. Beides passt zur Mannschaft des Iglo-Schiffs und zur Story des Kapitäns. Der bekannte Mirácoli-Song – im getesteten Spot wird nur die Melodie gesungen und gepfiffen – ist ebenfalls eine Aufforderung und basiert auf einem süditalienischen Gruppentanz, der Tarantella.

Die mitreißende Melodie passt psychologisch hervorragend zur Thematik, sich gedanklich an einen italienischen Tisch zu einer großen Familie zu setzen und zu feiern. Ebenso motivierend ist der Jive „Lollipop“, der als Grundlage für das Lied im TV-Spot für nimm2 soft fungiert: auch hier ein einladender, motivierender Tanz mit der einzigen Liedzeile „Das macht Plopp“. Wie sehr die Tonspur zum Mitmachen aktivieren kann, lässt sich auch wunderbar am Spot zu PAULA von Dr. Oetker beobachten: Kinder singen den Song „Die Paula ist ’ne Kuh …“ wortgetreu mit. Als Sprechmelodie erinnert er eher an einen Poetry-Slam als an ein Kinderlied – und verleiht so dem Spot ein cooles Element.

 

Musik als Klangteppich

Nicht immer sollte Musik prägnant im Vordergrund stehen. Wenn das Produkt erklärungsbedürftig ist, sollte die Stimme des Offsprechers im Vordergrund bleiben.

Musik bildet dann einen Klangteppich, der eine Stimmung und Atmosphäre erzeugt, die emotional zum Produkt passt. Im jüngsten GraviTrax-Werbespot reißen schnelle instrumentale Rhythmen den Zuschauer mit, während die Kugel in rasanten Bildsequenzen durch die Bahn fliegt. Generell, so zeigen die Analysen der Kinderspots, reduziert Musik die Skepsis während der Spotrezeption.

 

Nicht immer sollte Musik prägnant im Vordergrund stehen. Wenn das Produkt erklärungsbedürftig ist, sollte die Stimme des Offsprechers im Vordergrund bleiben.

Musik bildet dann einen Klangteppich, der eine Stimmung und Atmosphäre erzeugt, die emotional zum Produkt passt. Im jüngsten GraviTrax-Werbespot reißen schnelle instrumentale Rhythmen den Zuschauer mit, während die Kugel in rasanten Bildsequenzen durch die Bahn fliegt. Generell, so zeigen die Analysen der Kinderspots, reduziert Musik die Skepsis während der Spotrezeption.

Die Stimme macht die Stimmung

Die Auswahl von Sprecherinnen und Sprechern in der Werbung geht oftmals auf den persönlichen Geschmack des Entscheiders zurück, ist also eine Bauchentscheidung. Generell ist gegen Bauchentscheidungen nichts einzuwenden – allerdings ist die Musikforschung in der Lage, ein paar Fakten und psychologische Insights beizusteuern.

So haben Kinderstimmen und Erwachsenenstimmen auf Kinder große, aber durchaus differenzierte Wirkungen. Kinderstimmen symbolisieren grundsätzlich ein gutes Ende, denn psychologisch dekodieren Kinder die Stimmen anderer Kinder als ungefährlich und risikolos. Auf Eltern wirken Kinderstimmen sowieso unschuldig und harmlos und ganz besonders lebensfreudig. Mädchenstimmen können Produkten und Marken ein verträumtes, gefahrloses Image verleihen. Sie eignen sich besonders gut für Rollenspiele bei entsprechenden Spielzeugen. Jungenstimmen hingegen verheißen Abenteuer und Spannung, allerdings ohne echtes Risiko. Die psychologische Botschaft lautet: Hier kann man sich austoben, und zwar in sicherem Rahmen.

Dies ist vor allem eine gute Botschaft für die Eltern, sofern sie den Spot auch wahrnehmen. Hören Kinder Spots mit Kinderstimmen, schließen sie daraus, dass das Produkt auch bei ihren Peers ankommen wird – die Verwendung des Produkts also akzeptiert ist –, und Eltern gehen davon aus, dass sich Kinder mit dem Produkt selbstständig beschäftigen können.

Mütterliche Geborgenheit

Der Einsatz von Frauenstimmen bei Kinderprodukten wird mit mütterlicher Fürsorge konnotiert. Handelt es sich allerdings um Produkte, die Kinder für ihre Emanzipation, Selbstständigkeit, Rebellion etc. brauchen und wollen, ist eine Frauenstimme eher kontraproduktiv.

Männerstimmen hingegen stehen für Action und Risiko: Der Ausgang ist ungewiss. Das erhöht den Thrill, was gerade ältere Kinder anspricht. Jüngere Kinder und Eltern kann dies allerdings leicht abschrecken. Männerstimmen implizieren auch Wettbewerb und Machtkämpfe im Rudel der Peers – ein stereotypes Jungsthema.

Jingles als bewährte Gedächtnisstütze

Jingles sind seit jeher ein bewährtes Mittel in der Fernseh- und Radiowerbung, wenn Markennamen im Gedächtnis der Verbraucher verankert werden sollen. Die Studie zeigt aber, dass Jingles sowohl vom emotionalen Tenor her sinnvoll konzipiert als auch vom Timing her produktiv eingesetzt werden sollten.

Jingles werden häufig am Ende eines Spots platziert. Sie sollen das Angebot abrunden, indem sie einen Qualitätsgaranten hinzufügen und in Erinnerung rufen, bei oder von wem das teilweise auch schon austauschbare Produkt zu haben ist. Jingles, die am Schluss von Spots platziert sind, können aber das Risiko bergen, das davor Gelernte teilweise zu überschreiben.

Gerade bei Marken mit einer sehr großen Auswahl von ähnlichen Produkten bleibt bei Kindern nach der Rezeption oft nur noch der Markenname haften, aber nicht mehr die zuvor kommunizierten Propositions zum Produkt. Steht der Jingle hingegen am Anfang des Spots, kann er die Funktion einer Anmoderation übernehmen. Kindliche Zuschauer lernen: Jetzt kommt etwas von einer bestimmten Marke.

Psychoakustik, eine vielversprechende Disziplin 

Das Feld der zu erforschenden Wirkungen von Musik, Sprechern, Jingles etc. ist groß und spannend, gerade weil es bislang so wenige Erkenntnisse darüber gibt. Ziel der Forschung ist es, Guidelines aufzustellen und die Gestaltung der Tonspur in Spots als eigene Disziplin mit eigenen Herausforderungen zu verstehen.

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Birgit Guth

Birgit Guth

Head of Insights & Analytics Kids RTL Data
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Anna Rynkowski

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