Revival des Hörens: Was macht Podcasts so erfolgreich?

Podcasts boomen. Millionen Deutschen konsumieren täglich nonfiktionale Formate, Unterhaltung und Fiction jeglicher Couleur. Das Rheingold Institut hat den Hörern zugehört und das Podcast-Phänomen unter die Lupe genommen.

Aktuelle Befragungen zeigen: Knapp die Hälfte (47%) aller Smartphone-Nutzer zwischen 18 und 60 Jahren haben schon Podcasts genutzt*. Die Hörer entscheiden sich bewusst für den Content und folgen ihm aufmerksam: 9 von 10 regelmäßigen Nutzern (Nutzung mehrfach pro Monat) machen nur Dinge nebenbei, die sie kaum vom Podcast ablenken oder konzentrieren sich sogar ganz auf die Inhalte.

Was aber fasziniert und fesselt die Hörer so sehr am Podcast? Welche Motive bestimmen die Nutzung? Und wie lässt sich Werbung am besten mit Podcasts verbinden? Diesen Fragen ging das Rheingold Institut in der Studie „Revival des Hörens“** nach. Hierfür wurden die Insights aus verschiedenen Qualitativen Modulen (individuelle Tiefeninterviews und Fokusgruppen) mit online erhobenen Daten aus Diaries und dem Rheingold Social Listening zusammengeführt.

Nutzung Im Tagesablauf: Podcast-Zeit ist Jederzeit

Podcasts übernehmen über den Tag hinweg unterschiedlichste Funktionen. Sie sind häufig eingebettet in tägliche Routinen. Morgens helfen sie dabei, in den Tag zu kommen. Zu Hause werden Nachrichten und Coaching-Formate im Bad, beim Fertigmachen oder beim Frühstück gehört. Auf dem Weg zur Arbeit verzweigen sich die Interessen – einerseits in Wissens-, andererseits in Unterhaltungsformate. Diese Präferenzen gelten auch den Tag über, so etwa bei der Podcast-Nutzung während einfacher Schreibtischtätigkeiten oder parallel zu unliebsamer Hausarbeit. Auch auf dem Nachhauseweg, beim Kochen und beim Sport liegt der Schwerpunkt klar auf Unterhaltung und Wissen. In den Abendstunden geht es um Entspannung, dementsprechend wird Unterhaltung und Comedy konsumiert. Vor dem Einschlafen griff man früher zum Krimi auf dem Nachttisch – hier spielen heutzutage Crime-Podcasts eine große Rolle. Aber auch Comedy wird als Betthupferl genutzt.

Unabhängig von den Nutzungsszenarien in den einzelnen Timeslots sind Podcasts aber auch einfach über den ganzen Tag hinweg beliebt, um Zeit zu überbrücken – also etwa bei langen Auto- oder Zugfahrten oder in Wartezeiten. In solchen Situationen sind Unterhaltung, Comedy, Crime aber auch Wissen und Coaching gern genutzte Genres.

Was Podcasts so besonders macht

Das Smartphone ist das persönlichste aller Medien-Devices. Podcasts werden fast ausschließlich direkt über das Smartphone bzw. über Kopfhörer gehört. So entsteht eine besonders enge Bindung zwischen dem Podcast-Content und dem Hörer. Mit der „Stimme im Kopf“ kann der Podcast-Nutzer sein ganz persönliches Mood-Management betreiben. Rheingold unterscheidet hier zwischen dem „inneren Ohr“ (hier geht es um Themen wie Entspannung, Nähe, Me-Time und das Gefühl, aufgehoben zu sein) und dem „offenen Ohr“ (mit dem Ziel, Weiterzukommen, sich abzulenken und Neues zu erfahren, sich zu öffnen).

Podcasts zahlen auf viele Themen der Gegenwartskultur ein: Da ist zum einen die Entlastung von visueller Reizüberflutung. Das Hören eines Podcasts ist eine kleine Auszeit im alltäglichen Stakkato von Reizen, Informationen und privaten Nachrichten. Podcasts können auch der Suche nach Zuspruch und Ermutigung dienen. Denn beim ganzen Netzwerken kommt oft die „echte“ 1-zu-1-Kommunikation zu kurz. Im dicht getakteten Leben versucht man den Spagat zwischen Alltagsflucht und Weiter-Funktionieren. Podcasts können bei beiden Bedürfnissen unterstützen. Und schließlich stehen Effizienzsteigerung und Multitasking weiterhin hoch im Kurs. Podcasts sind hierfür perfekt, kann man sie doch mit nur einem Sinn konsumieren, während man anderen monotonen Tätigkeiten nachgeht.

Chancen für Marken: Podcasts als Werbeumfeld 

Grundsätzlich resultiert aus der Podcast-Verfassung eine höhere Sensibilität für Werbeinhalte - was bei unpassender Platzierung und Umsetzung aber auch Reaktanz erzeugen kann. Gerade das unmittelbare Erleben der Inhalte weckt bei Nutzern die Sorge, sich nicht durch einen „rationalen Filter“ vor Werbeinhalten schützen zu können.


Wie die Werbung von den Hörern aufgenommen wird, hängt von der Nutzungsmotivation und damit letztlich auch vom Genre ab. Steht die Wissensvermittlung im Vordergrund, wird der Podcast aufmerksam und fokussiert verfolgt. Hier darf die Werbung nicht die Seriosität des Contents untergraben. Auch bei Formaten, die Entspannung durch Spannung versprechen (etwa Crime), wird eine klare Trennung von Content und Werbung erwartet. Rheingold rät in diesem Umfeldern von Native Ads ab – stattdessen bieten sich Sponsorings (Branded Podcasts) oder Audiospots am Anfang bzw. Ende des Podcasts an.

Dagegen wird bei Podcasts, die der Entspannung bzw. dem Chillen dienen oder Themen rund ums Lebenscoaching verfolgen, eher auch eingebettete Werbung akzeptiert – idealerweise in Form freundschaftlicher Tipps der Moderatoren (also als Native Ads). Die Rezeptionsverfassung darf dadurch aber nicht zu sehr gestört werden. Speziell bei Coaching-Podcasts sind die Glaubwürdigkeit und die Passung zwischen Podcast und Produkt extrem wichtig.

Für alle Formen der Werbung in Podcast-Umfeldern gilt: Durch die besondere, teils sehr enge Bindung zwischen Moderator und Hörer entsteht hier auch eine ganz besondere Werbewirkung ähnlich wie bei Influencern. Die Werbeeinbindung selbst sollte kurz, prägnant und (auch bei Native Ads) klar als solche erkennbar sein. Hörer wollen nicht durch ausführliche Erklärungen oder URLs vom Content abgelenkt werden (falls notwendig, sollte hierfür einfach auf die Show-Notes verwiesen werden).

Fazit:

Podcasts treffen einen Nerv in der Gegenwartskultur, denn sie bieten einen attraktiven Gegenentwurf zur permanenten Reizflut an Informationen, Nachrichten und Bildern. User bevorzugen das Medium Podcast, weil es problemlos in den eigenen Tagesablauf integriert werden kann, weil es sich persönlicher anfühlt als andere Medien und die emotionale Ebene erreicht. Das sind grundsätzliche hervorragende Wirkungsvoraussetzungen für Werbung. Achtet man auf inhaltliche Passung und Glaubwürdigkeit, trifft man auf eine Zielgruppe mit großer Offenheit für Markenbotschaften.