Reiseanalyse 2020: Reisen in Zeiten von Corona

Die Corona-Pandemie hat die Reise- und Tourismusbranche stark getroffen. In diesen Zeiten ist eine umfassende und verlässliche Informationsgrundlage von besonderer Bedeutung. Die alljährlich stattfindende Reiseanalyse wird diesem Anspruch gerecht.

Seit 1970 versorgt die Reiseanalyse* die Branche mit zentralen Insights zum Urlaubsverhalten der Deutschen. In diesem Jahr sind die Ergebnisse der Jahreserhebung (Januar 2020) und der Corona-Zusatzerhebung (Mai 2020) ganz besonders spannend. Diese zeichnen ein mitunter schonungslos ehrliches Bild der Lage - geben aber vor allem auch Anlass zur Hoffnung für die kommende Zeit.

Noch im Januar befand sich die Reisebranche in einem regelrechten Höhenflug: Das Gesamtvolumen durchgeführter Urlaubsreisen war im vergangenen Jahr mit knapp 71 Mio. so hoch wie nie zuvor. 78% der Deutschen haben im vergangenen Jahr eine Urlaubsreise unternommen. Bei einer Ausgabenhöhe von durchschnittlich 1.000 € pro Person und Haupturlaubsreise ergibt sich ein Gesamtvolumen von nicht weniger als 73 Mrd. €. Nicht nur in der Rückschau auf das letzte Jahr, sondern auch in der Zukunftsprognose sah es Anfang des Jahres für den Tourismus noch richtig gut aus: Bereits im Januar hatten knapp zwei Drittel der Befragten eine feste Reiseabsicht für das kommende Jahr - dieser Wert lag 2010 noch etwa 7% niedriger.

Und dann kam Corona. Der Lockdown, welcher sich in Deutschland vor allem von März bis Mai erstreckte, führte zu erheblichen Einschränkungen jedes Einzelnen und deutlichen Einbußen auf Seiten der Reisebranche. Auch die Reiseanalyse spiegelt dies wider: Etwa ein Drittel der zwischen Januar und April geplanten Reisen konnte durch die Auswirklungen der Pandemie nicht wie geplant durchgeführt werden. Von den am Jahresanfang geplanten Buchungen für später stattfindende Reisen im aktuellen Jahr wurden 34% erst einmal aufgeschoben.

Doch bedeutet dies, dass den Deutschen die Lust auf Urlaub jetzt und in Zukunft nachhaltig vergangen ist? Die Daten legen nahe, dass hiervon nicht auszugehen ist. In der Vergangenheit gab es bereits Krisen, doch langfristig hat nichts das Fernweh zum Erlöschen bringen können. Und so ist es wenig verwunderlich, dass im Rahmen der Corona-Zusatzerhebung der Reiseanalyse bereits im Mai 48% der Befragten angeben, eine wegen Corona am Jahresanfang geplatzte Urlaubsreise noch in diesem Jahr nachholen zu wollen. Bei den von der Pandemie betroffenen Reisen im Zeitraum Mai bis Dezember besteht die Nachholabsicht sogar bei 62%. (Corona-Analyse, Teil 2)

Mehr noch: Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, derzeit eine regelrechte „Urlaubslust“ zu verspüren und Freude beim Gedanken an die noch in diesem Jahr bevorstehende Urlaubsreise zu empfinden. Auch wenn Corona möglicherweise zu einer Verunsicherung geführt haben mag, so scheint der Lockdown die Einstellungen gegenüber dem Thema Urlaub und Reisen positiv zu beeinflussen: Etwa 59% der Befragten geben an, dass ihnen die Bedeutsamkeit freien Reisens durch die Krise klar geworden ist. 50% stellen jetzt fest, dass gerade das Reisen ein wichtiger Faktor für ihr persönliches Wohlbefinden ist.
 


Und dies wird auch bei den Urlaubsformen sichtbar: Der Erholungsurlaub hatte bereits seit 2016 deutlich an Bedeutung zugenommen und im Januar dieses Jahres den Strandurlaub als den Langzeitfavoriten unter den Urlaubsarten erstmals eingeholt. In der Corona-Zusatzbefragung liegt der Erholungsurlaub (42%) nun mit deutlichem Abstand vor dem Badeurlaub (28%) und dem Familienurlaub (19%). Es ist also anzunehmen, dass gerade in körperlich und mental fordernden Zeiten wie der Corona-Krise das Bedürfnis nach Ruhe und Ausgleich, was ganz besonders durch Urlaubsreisen befriedigt werden kann, wächst.

Nun setzt sich der Tourismus langsam wieder in Bewegung und Prognosen sind nur eingeschränkt möglich. In der kürzeren Frist werden nicht zuletzt auch wegen der international unterschiedlichen Gegebenheiten aber voraussichtlich näher gelegene Destinationen inklusive des heimischen Tourismus etwas stärker profitieren. Trotzdem können sich bereits jetzt immerhin knapp 9% der Ur-laubsplaner vorstellen, noch in diesem Jahr eine Fernreise zu unternehmen.

Beim Reisen in Corona-Zeiten werden Tourismusunternehmen und Destinationen in Zukunft vermutlich mit veränderten Ansprüchen der Reisenden konfrontiert: Beispielsweise wollen aufgrund von Corona nun etwa 68% der Bevölkerung besonders auf die hygienischen Bedingungen der Unterkunft achten. Auch gibt etwa die Hälfte der Befragten an, dass ein verlässlicher Reiseveranstalter für sie zukünftig von besonderer Bedeutung sein wird.


 


Die persönlichen Rahmenbedingungen stellen dabei entgegen mancher Erwartungen eher kein Hindernis da: So ist eine Urlaubsreise im restlichen Jahr 2020 nach eigener Einschätzung für etwa 60% nicht nur zeitlich möglich, sondern auch finanziell. Von massiven Veränderungen wie Arbeitslosigkeit sind nur etwa 2% der Stichprobe betroffen. Nur 1% gibt an, selbst an Covid-19 erkrankt gewesen zu sein. 45% sind nach eigener Aussage weder gesundheitlich noch finanziell in irgendeiner Weise durch die Pandemie betroffen.

Zusammenfassend lassen die Erkenntnisse der Reiseanalyse die Interpretation zu, dass die Corona-Krise und die Belastung durch Homeoffice, Kinderbetreuung und eingeschränkte Freizeitgestaltung durchaus Räume für ein zusätzliches Reisebedürfnis schafft. Doch ein Leben mit dem Virus bedeutet auch Reiseplanung unter besonderer Unsicherheit, so dass die Reisenden den Tourismusunternehmen und Destinationen in Zukunft wahrscheinlich mit veränderten Ansprüchen an die gesundheitliche und finanzielle Sicherheit begegnen werden.

Weiterführende Informationen

*Hintergrundinformationen zur Studie: Bei der Reiseanalyse handelt es sich um eine repräsentative Untersuchung zum Urlaubsreisever-halten der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland. Die im jährlichen Turnus durchgeführte Studie umfasst eine Stichprobe von mehr als 7.000 Personen. In der Corona-Zusatzerhebung im Mai wurden zusätzlich noch einmal 2.500 Personen befragt. Die Reiseanalyse wird in einem Team von drei Partnern umgesetzt: Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (FUR) als Träger konzeptioniert und organisiert gemeinsam mit dem Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH (NIT) in Kiel die Untersuchung und Auswertung. IPSOS ist Partner für die Erhebungen und Datenverarbeitung. Die FUR ist eine neutrale Interessengemein-schaft und der größte nicht kommerzielle Organisator und Auftraggeber von Tourismusforschung in Deutschland. Als langjähriger Partner verfügt die Ad Alliance über umfangreiche Exklusivrechte und Auswertungsmöglichkeiten.