Deutschlands Herausforderungen in der globalen Krise

Beim Screenforce Expertenforum Ende Oktober stand die Krise im Mittelpunkt. Wie kritisch ist die Lage in Deutschland – und wie gehen Unternehmen am besten damit um?

Die Stimmung der Verbraucher:innen in Deutschland bleibt angespannt. Beim 2. Screenforce Expertenforum verschafften Expert:innen von Verbänden, Forschungsinstituten und werbungtreibenden Unternehmen einen Überblick über die Lage und erläuterten, welche Anforderungen die Krise an die Markenkommunikation stellt. Videos und Präsentationen aller Vorträge finden sich auf der Screenforce Website.

Zu den Vortragenden gehörte auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Prof. Marcel Fratzscher, Ph.D. In seinem Vortrag richtete er den Fokus auf den aus seiner Sicht „Blinden Fleck“ in den aktuellen Diskussionen über die Wirtschaftslage: Die Frage, wie die Gesellschaft langfristig die anstehenden großen Transformationen in Bezug auf Globalisierung, Ökologie, Klimaschutz, Digitales, aber auch die soziale Transformation stemmen könne.

Aktuell befände sich Deutschland zwar bereits in einer Rezessionsphase, aber die oft thematisierte schwere Rezession sei derzeit nicht abzusehen – allerdings unter den Voraussetzungen, dass der Krieg nicht weiter eskaliert, die Energiepreise wieder sinken, die Finanzmärkte stabil bleiben und die Lieferkettenprobleme in den Griff zu bekommen sind.

Allerdings sei Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern besonders betroffen: Wegen der starken Abhängigkeit von russischem Gas (verbunden mit einem großen Nachholbedarf bei den erneuerbaren Energien), einer sehr energieintensiven Industrie (insbesondere in der (Petro-) Chemie) und einer großen Offenheit gegenüber anderen Märkten. Dies führe in Krisenzeiten zu einer umso höheren, oftmals asymmetrischen Abhängigkeit. Die Lösung sieht Prof. Fratscher nicht in einem Zurückdrehen der Globalisierung, sondern in einer "resilienten Globalisierung" mit Lieferketten, die in Krisenzeiten das Ausweichen auf andere Unternehmen in anderen Weltregionen ermöglichen.

Diese Veränderungen seien mit massiven Kosten verbunden – der Inflationsdruck werde daher in den kommenden Jahren nicht schnell abnehmen. Der zweiten großen Herausforderung – der Klimaneutralität – ständen die Unternehmen insgesamt sehr offen gegenüber. Hier ständen regulatorische Vorgaben oftmals der Umsetzung von Innovationen im Weg.

Soziale Akzeptanz als Schlüsselfaktor der Transformation

Die größte Sorge rund um die Krise und die anstehenden Transformationsprozesse sei für ihn allerdings nicht, die Herausforderungen technologisch zu lösen – sondern dass dafür möglicherweise die soziale Akzeptanz fehle. Nicht nur in der aktuellen Krise, sondern auch in den kommenden zehn Jahren seien Menschen mit geringem Einkommen oder mit geringen Qualifikationen, die weniger flexiblen und weniger mobilen, besonders hart betroffen. Preissteigerungen, etwa bei Energie und Lebensmitteln, schlagen bei den 10 Prozent der Menschen mit den geringsten Einkommen deutlich stärker durch als bei den oberen 10 Prozent. Die soziale Unwucht, so Prof. Fratscher, nehme zu. Wenn man sich immer nur das Gesamtbild anschaue, übersehe man einen wichtigen Teil.

Ist Deutschland resilient genug für die Krise?

Es sei wichtig, einzelne Bevölkerungsgruppen, aber auch die einzelnen Branchen, bewusst daraufhin zu untersuchen, wie resilient diese seien und gegebenenfalls die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese in der Lage sind, die anstehende Transformation zu meistern. Man müsse sich auf eine schwierige Zeit einstellen – und immer wieder schauen, was notwendig sei, damit die Wirtschaft und die Gesellschaft diese erfolgreich überstehen können.

Vorhandene Potenziale nutzen

Der DIW-Präsident sagte, er sehe gute Gründe für Pessimismus – aber bessere Gründe für Optimismus. Denn Deutschland wäre durchaus widerstandsfähig, wie die letzten 70 Jahre der Wirtschaftsgeschichte bewiesen hätten. Als Gründe hierfür nannte er sechs Faktoren:

  • Starke Solidarität
  • Starke Institutionen
  • Eine starke Zivilgesellschaft
  • Wertschätzung der Wissenschaft
  • Resiliente Unternehmen
  • Offenheit & Kooperationsfähigkeit
     

Weltweit habe sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass Gesellschaften, die einen hohen Wert auf gesellschaftlichen Zusammenhalt, Solidarität, Schutz der verletzlichsten und schwächsten Menschen legen, große Krisen in jeglicher Hinsicht besser bewerkstelligen können. Wirtschaftlich, sozial und auch politisch. Die Aufgabe sei nun, sich auf die Stärken zu fokussieren, damit die notwendige Transformation gelingen kann.

Über die Insights aus den weiteren Vorträgen des 2. Screenforce Expertenforums 2022 berichten wir in der Dezember-Ausgabe der Ad Alliance Research News.