Die neuen Väter sind da

Die aktuelle Elterngeneration besteht aus Millennials, die unverkrampfter an das Thema "Kinder und Familie" herangehen als ihre Vorgängergenerationen.

Millennials sind mit digitalen Medien aufgewachsen, viele von ihnen haben bereits in jungen Jahren mehr von der Welt gesehen, als ihre Eltern im Rentenalter. Diese Erfahrungen fließen in ihre Elternschaft mit ein. Elternschaft wird oftmals nicht mehr nur im klassischen "Male Breadwinner-Modell" gelebt, sondern mit zwei gleichberechtigten Elternteilen, die das Leben trotz oder gerade wegen der Kinder genießen wollen. Vor dem Hintergrund der Diskussion um Gleichberechtigung, um die Rollen- und Aufgabenverteilung im Familienalltag und um ein neues, modernes Männlichkeitsverständnis rücken auch die emotionalen und psychologischen Bedürfnisse der Väter stärker in den Vordergrund.

Das Trend Research-Team der DATA Alliance bei der Mediengruppe RTL hat diese Zielgruppe genauer unter die Lupe genommen und mit Vätern (und werdenden Väter) über ihre Rolle, ihre Bedürfnisse und Wünsche diskutiert. Es zeigt sich, dass sich das Rollenbild der Väter deutlich gewandelt hat. So hat sich ein viel komplexeres, nicht mehr dem traditionellen Bild von Männlichkeit entsprechendes Selbstverständnis etabliert. Junge Väter möchten sich aktiv in die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder einbringen und bewusst mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen.

In der Zielgruppe der modernen (eher dem expeditiven Sinus-Milieu¹ entstammenden) Väter ist ein Selbstverständnis entstanden, das deutlich dem traditionellen Vaterbild widerspricht. Die Männer sehen – im Gegenteil zu weiten Teilen früherer Generationen – keinen Gegensatz zwischen emotional-empathischer Fürsorge und ihrem Bild von Männlichkeit. Für sie sind gemeinschaftliche Verantwortung und Aufgabenverteilung in der Partner- und Elternbeziehung eine Selbstverständlichkeit. Sie möchten Verantwortung in der Kindererziehung übernehmen und als Väter präsent sein:

„Ich gehe gerne alleine raus mit meinem Kind. Das gabs vor 20 Jahren nicht. Ich will auch Bezugsperson sein vom Kind. Männlichkeit heißt auch, da zu sein.“


Home-Office erleben sie in diesem Zusammenhang als positives Angebot: Durch die vermehrte Zeit zu Hause sei vieles möglich, was vorher eher Wunschdenken war. Eine Befragung im "I Love my Media"-Panel zur Quantifizierung der in der Gruppendiskussion erfassten Insights bestätigt, dass Fürsorglichkeit für junge Väter nicht mehr im Gegensatz zu einem männlichen Rollenbild stehen.

Auf der Suche nach Orientierung

Die Trend Research-Gruppendiskussion zeigt, dass trotz der großen und glücklichen Momente eine gefühlte Unsicherheit bei den Vätern bleibt – und auch eine fehlende Orientierung. Man wünscht sich hier mehr zugeschnittene und entlastende (mediale) Beratungsangebote, wie etwa auch Infotainment-Angebote zum Thema "Vater sein" und "Vater werden". Man sucht nach Informationen, möchte Dinge lernen, aber sich gleichzeitig unterhalten lassen. Dabei ist den Vätern besonders wichtig, dass sie nicht bloßgestellt werden – vielmehr soll mit einem Augenzwinkern gezeigt werden, dass bei anderen Vätern auch nicht alles perfekt läuft. Zudem wünschen sich die Väter Inspiration, wie sich eigene Interessen mit Kindern in der Familie arrangieren lassen. Auch die Quantifizierung der Ergebnisse der Gruppendiskussionen zeigt: Väter wünschen sich Infos und Beratung zu den Themen Hobbies und Sport mit Kind sowie zu den Themen Gesundheit und Ernährung.

Die neuen Väter – im Marketing und im Alltag

In den USA wird die neue Zielgruppe der Superdaddys bereits seit Längerem umworben. Auch hierzulande haben einige Werbungtreibende die "neuen Väter" entdeckt und schaffen so neue Vorbilder in der Werbung. "Dadvertising" nennt sich dieser Marketingansatz. Hier werden Väter einerseits als liebevoll zärtliche Väter, andererseits als Manager und Akteure im Familienalltag bzw. Haushalt gezeigt. So wird das Thema "Männlichkeit" auch durch die Werbung neu aufgeladen, Elternschaft und Familie bekommen neue Facetten.

Das traditionelle Familienmodell lebt weiter

Doch trotz der immer stärkeren Präsenz der "neuen" Väter in Medien und Werbung, zeigen Studien immer noch eine Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Eine repräsentative Umfrage von mehr als 1.000 Eltern zeigt, dass die klassischen Rollenbilder in der Praxis nach wie vor stark verbreitet sind.² So ist der Hauptverdiener in vielen Familien immer noch der Vater, zwei Drittel der Väter verbringen werktags weniger als vier Stunden mit ihren Kindern. Es deutet sich aber eine Trendwende an, denn glücklich sind die Väter mit der aktuellen Situation nicht: 90 Prozent der befragten Väter möchten gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen.

Es sind nicht immer die großen gemeinsamen Projekte wie Radtouren, Ausflüge oder Outdoor-Aktivitäten, die auf der Wunschliste oben landen. Viele Väter wünschen sich mehr Kuschelzeit, intensive Gespräche oder Spielzeit sowie gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie.

Die neuen Väter stehen für eine andere Sichtweise auf die Vaterschaft. Lange Zeit in konservativen Kreisen als "typisch weiblich" geltende Werte wie Fürsorge, Pflege und Zuwendung sowie Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Kochen und Haushalt gehören – zumindest im Selbstverständnis der Männer – zu den Attributen der neuen Männlichkeit und haben Potenzial, denn neuen Idealtypus des modernen Vaters zu prägen. Medien und Werbung können die neue Vaterrolle glaubwürdig mit allen Konflikten und Unsicherheiten zeigen und vermitteln, wie sich ein neues aufregendes Leben mit Kind gestalten lässt.

 

2 Umfrage von Statista im Auftrag von Stokke, https://www.daddylicious.de/wochenendvaeter-studie/