Was haben Pfau und TV gemeinsam?

Eine Werbekampagne im Fernsehen ist glaubwürdig. Sie signalisiert Stärke, denn Konsumenten halten TV-Werbung für kostspielig. Der britische Marketing-Experte Richard Shotton erläuterte beim Screenforce Expertenforum im März, wie diese und weitere Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung bei der Mediastrategie helfen.

Richard Shotton ist ein britischer Marketing-Berater und Autor. Sein Buch "The Choice Factory” ist ein internationaler Fachbuch-Bestseller. Shottons Spezialität ist die Anwendung von Erkenntnissen aus Verhaltensforschung und Psychologie in Werbung und Marketing. Ein Beispiel dafür präsentierte er beim 1. Expertenforum von Screenforce im März dieses Jahres.

Dabei ging es um ein Problem, das schon Charles Darwin schlaflose Nächte bereitete: Das Rad des Pfaus. Die riesigen, prächtigen Schwanzfedern machen das Tier zur leichten Beute für Raubtiere. Damit steht der Pfau auf den ersten Blick im Widerspruch zu Darwins Evolutionstheorie, nach der nur diejenigen überleben, die sich an ihre Umwelt angepasst haben. Shotton zitiert aus einen Brief Darwins: Der Pfauenschwanz mache ihn krank, immer wenn er an ihn denke.

Erst im 20 Jahrhundert formulierte der israelische Evolutionsbiologe Amotz Zahavi eine Lösung: Die Schwanzfedern des männlichen Pfaus helfen ihm, Weibchen für sich zu interessieren. Sie seien nämlich fälschungssichere Signale für die Fitness des Tieres. Nur ein gesunder, kräftiger Pfau kann ein prächtiges Rad entwickeln und sich dabei nicht fangen lassen; kranke und schwächere Artgenossen besäßen deshalb weniger große und bunte Schwanzfedern.

Sieht das Weibchen das glanzvolle Pfauenrad, weiß es mit Sicherheit, dass hier ein gesunder Vogel mit guten Genen um ihre Gunst balzt. Aus dieser Überlegung entstand die Theorie des "Costly Signaling“ – teure Signale, die dazu dienen, die Fitness eines Lebewesens seinen Artgenossen zu demonstrieren, seien es Paarungspartner oder Rivalen. Da solche Signale nicht gefälscht werden können, seien sie so überzeugend.

Was hat das mit Werbung zu tun? Richard Shotton erläuterte den Zusammenhang. Große Werbekampagnen zahlen sich erst auf längere Zeit aus. Eine Marke, die sich das leisten kann, muss ein hervorragendes Produkt haben und finanziell stark sein, was auf frühere Erfolge hinweist. Für ein schwaches Produkt würde eine Firma solchen Aufwand nicht betreiben bzw. man könnte es sich gar nicht leisten. Damit ist die Werbekampagne ein teures, fälschungssicheres Signal an die Konsumenten, den Handel und die Wettbewerber – ähnlich dem Pfauenschwanz.

Richard Shotton berichtete nun von empirischen Experimenten, mit denen die Theorie der teuren Signale im Marketing überprüft wurde. So bekamen Versuchspersonen unterschiedliche Bericht über eine fiktive Marke. Alle Infos waren die gleichen, mit einer Ausnahme: Die Höhe des eingesetzten Werbebudgets variierte zwischen 2, 10, 20 und 40 Millionen. Die Versuchspersonen wurden danach gefragt, wie sie die Qualität der Marke einschätzen. Die Tendenz war klar: Je höher das berichtete Werbebudget war, desto besser wurde die Qualität eingeschätzt.

In einer eigenen kleinen Studie ermittelte Shotton außerdem, dass Verbraucher die Kosten von Werbung in verschiedenen Medien unterschiedlich einschätzten: TV- und Kino-Werbung werden als besonders teuer erachtet, YouTube-Werbung als deutlich günstiger. Die Schlussfolgerung: Je nach eingesetzten Medien vermuten die Konsumenten ein höheres oder niedrigeres Werbebudget.

Mit einer großen repräsentativen Studie hat der britische TV-Verband Thinkbox 2020 Shottons Hypothesen noch einmal überprüft. Es wurde eine erfundene Marke 3.600 Befragten vorgestellt. Dabei wurde erwähnt, dass die Marke eine dreimonatige Werbekampgange plane. Auch hier variierten die Beschreibungen nur in einem Detail: Das Medium, das für die Kampagne genutzt werden solle. Danach stellte man allen die gleichen Fragen zur Qualität der Marke, zum Vertrauen in die Marke und zur Finanzstärke des Unternehmens. In der Gruppe, in der Fernsehen als Werbemedium erwähnt wurde, waren alle Werte überdurchschnittlich positiv.

Bei dieser Untersuchung kam noch ein anderer Effekt ins Spiel, berichtete Shotton. "Ein Versprechen, das öffentlich ausgesprochen wird, wird als glaubwürdiger angesehen“, so fasst er eine Erkenntnis der Sozialpsychologie zusammen. Wir gingen unbewusst davon aus, dass ein öffentlich gegebenes Versprechen größeren Schaden anrichtet, wenn es nicht eingehalten werde. Dieses Risiko mache es wahrscheinlicher, dass jemand seine Versprechen halte, je größer das Publikum ist, dem er es gegeben hat. In der referierten Thinkbox-Studie gab es dafür Belege: Markenversprechen über Bekanntheit, Beliebtheit und Erfolg der Marke wurden eher als glaubwürdig eingeschätzt, wenn sie im TV gegeben wurden.

Die Idee des "Costly Signaling“ habe einen direkten Media-Effekt, so das Fazit von Richard Shotton. Allerdings würden viele Marken diese Erkenntnis nicht nutzen. Er empfiehlt, nicht das ganze Mediabudget in Online-Targeting zu investieren, sondern bewusst Stärke und Glaubwürdigkeit durch große TV-Kampagnen zu signalisieren.

Dies gelte auch bei jungen Zielgruppen, wie der Brite auf eine Publikumsfrage hin erläuterte. Die "Millennials“ würden Fernsehen immer noch als mächtig und teuer ansehen. "Die Wahrnehmung ist nicht davon abhängig, ob die jungen Menschen das Medium selbst nutzen“, so Shotton.

Der Vortrag von Richard Shotton ist, genau wie die anderen Präsentationen des Expertenforums, auf der Seite von Screenforce als Video zu sehen.