Trading Apps für Aktien und Kryptowährungen

Vergänglicher Hype oder nachhaltige Anlagelösung? 

Schnelles, unkompliziertes und kostengünstiges Investieren in Aktien – das ist das Produktversprechen vieler FinTech Apps, die das Handeln mit Aktien für Kleinanleger vereinfachen wollen. Immer mehr Anbieter finden sich daher in den App Stores. Gleiches gilt für Unternehmen, die den Handel mit Kryptowährungen anbieten. Vor kurzem ging Coinbase an die Börse. Der Hype war gigantisch, denn Coinbase ist eine Handelsplattform für Kryptowährungen und wird zunehmend beliebter. Gleichzeitig wird eine Diskussion in Fachmedien lauter, die sich mit der Frage beschäftigt, ob der Hype unter Kleinanlegern zu einer gefährlichen Blase führt und somit das "Zocken" befördert. Andere halten dagegen und sprechen gar von einer "Demokratisierung der Anlagemöglichkeiten". Zeit, den Trend genauer zu beleuchten. 

Von den USA nach Deutschland, befeuert durch Corona 

In den USA ist der Handel mit Aktien schon lange im Trend. 2013 kamen die ersten Trading Apps wie beispielsweise Robinhood auf den Markt. Diese hat aktuell mehr als 13 Millionen User weltweit. Seit Beginn der Corona-Krise ist die Zahl deutlich gestiegen. Robinhood gibt an, dass viele amerikanische AnlegerInnen die US-Corona-Hilfe von 1.200 und 2.400 USD sofort in Trading investiert haben, denn Einzahlungen in dieser Höhe wurden zum Zeitpunkt der Auszahlung vermehrt in der App registriert.i

Und wie sieht es in Deutschland aus? Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Februar 2021 5.000 Menschen in Deutschland befragt. Das Ergebnis: Mindestens vier Millionen Menschen sind neu am Aktienmarkt. Bei zwei Gruppen wird das besonders deutlich: Die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen und insbesondere Männer. Auch interessant: Die Gesamtzahl der AktienbesitzerInnen ist sogar höher als zum Zeitpunkt des Dotcom-Hypes im Jahr 2001.ii Befeuert wurde und wird dies durch die Corona-Krise – das sagt auch Christian Hecker, Gründer des deutschen Primus im Bereich Trading Apps, Trade Republic: "Durch die Pandemie sind noch einmal mehr Menschen auf den Kapitalmarkt gekommen, und das hat unserem Wachstum sicher auch geholfen." iii

Das klingt erst einmal gut. Was spricht dagegen, in Zeiten von Niedrigzinsen und steigenden Immobilienpreisen sein Anlageportfolio zu diversifizieren? 2001 oder zu früheren Zeitpunkten in der Geschichte der Finanzmärkte zeigten sich allerdings ähnliche Entwicklungen – bis die Blase platzte.  

Der Gamestop-Hype und was er bedeutete 

Anfang 2021 kam es zu einem besonderen Ereignis. Die Aktie der amerikanischen Gaming-Einzelhandelskette Gamestop stieg rasant an. Auslöser war ein Hype um die Aktie, der seinen Ursprung auf der Social Media Plattform Reddit hatte. Kleinanleger hatten sich dort abgesprochen, um mit dem Kauf der Aktie großen Hedgefonds-Gesellschaften die Stirn zu bieten. Diese hatten auf die sinkenden Kurse des angeschlagenen Unternehmens Gamestop spekuliert. Die Aktion der Kleinanleger hatte somit auch eine politische Dimension, sollte den Hedgefonds die Botschaft senden "So geht’s nicht weiter!" – und nebenbei Gewinne generieren. Es zeigte sich aber schnell das, was auch beim generellen Trend ein Risiko darstellt: Die Aktie stürzte ab und viele junge Trader, die erst spät eingestiegen waren, verloren dabei Geld.iv

Aber was hat das mit den Trading Apps zu tun? Eine ganze Menge! Zum einen machen diese Apps solch spontane, der breiten Masse zugängliche Aktionen überhaupt erst möglich. Zum anderen zeigt sich durch dieses Beispiel auch ihr Nachteil. In Deutschland stoppte Trade Republic zwischenzeitlich den Kauf von Gamestop-Aktien für seine NutzerInnen. Diese zeigten sich erbost und der Vorwurf der Marktmanipulation wurde laut. Das Quasi-Versprechen der Apps, den Aktienhandel zu demokratisieren, wurde durch den Handelstop der Aktie zum PR-Debakel.v

"Gamification" als Gefahr?  

Viele Anbieter wollen insbesondere Millennials und die Generation Z ansprechen und für das Investieren am Aktienmarkt begeistern. Dazu nutzen sie in ihren Apps von Online-Stores oder Social Media inspirierte Design- und Usability-Elemente. Folgt man dem Finanzexperten Nikolaus Jilich von der Denkfabrik Austria, bekämen junge Menschen zudem mit, wie Renteneinkünfte der Elterngenerationen gering ausfallen – was sie wiederum motiviere, ins Aktiengeschäft einzusteigen.  

Hier liegt aber auch das Problem, dass durch die einfache Bedienbarkeit und Unmittelbarkeit des Handels via Apps verstärkt wird. "Der Nachteil dieser Apps ist, dass es sehr schnell in Richtung Zocken und Glücksspiel geht. Man wird da sehr leicht reingezogen"vi betont Jilich. Animationen wie Konfettiregen bei einem erfolgreichen Kauf per Swipe auf dem Smartphone sind eben attraktiver als das Gespräch bei den AnlageberaterInnen der Hausbank.  

Gleichzeitig sind das aber auch Elemente von Gamification, bei der psychologische Wirkungsmuster das Belohnungssystem im menschlichen Gehirn aktivieren. Robinhood steht in den USA bereits wegen unzureichendem Schutz von unerfahrenen Investierenden bei glückspielähnlichen Wetten unter Anklage. Es bleibt also eine schwierige Aufgabe, die Balance zwischen einfacher Bedienbarkeit und einer Bedienbarkeit, die überlegtes Investieren fördert, zu finden.  

Eine Studie der Universität St. Gallen, die das Verhalten von 240.000 Kunden und Kundinnen eines Onlinebrokers zwei Jahre lang untersucht hat, zeigt ergänzend dazu, dass User deutlich risikobereiter sind, wenn sie Push-Benachrichtigungen bekommen, die gezielt auf einzelne Aktien aufmerksam machen.vii

Handel mit Kryptowährungen und die Coolness der AnlegerInnen 

Bezogen auf den Handel mit Kryptowährungen zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie höchstens zur Abwicklung dubioser Geschäfte im Darknet benutzt wurden. Über Apps wie Kraken ist es AnlegerInnen möglich, diverse Währungen einfach per Swipe zu kaufen und zu hoffen, dass die Wechselkurse steigen und man gewinnbringend verkaufen kann. Abgerechnet wird via Kreditkarte, farbenfrohe Animationen runden das Kauferlebnis grafisch ab. 

Der Wert einzelner Aktien ist häufig von starken Schwankungen geprägt. Doch das ist noch gar nichts im Vergleich zu Kryptowährungen. Es existiert kein Börsenschluss, der Wert mancher Währungen legt oftmals innerhalb kürzester Zeit im dreistelligen Prozentbereich zu. Unabhängig von der Beurteilung der Sinnhaftigkeit des Investments stellt sich da die Frage, welche Auswirkungen das auf Gemüter der KleinanlegerInnen hat. Wie "cool" bleibt man, wenn das Geld innerhalb weniger Sekunden weg sei kann? Wie häufig checkt man das Smartphone, wenn sich jede Sekunde etwas tun kann? 

Investieren  – und die App 10 Jahre nicht mehr öffnen?  

Was machen Trading Apps also mit den Menschen? Kurz: Sie bieten die Option, unliebsame Termine bei der Bank einfach durch wenige Klicks auf dem Smartphone zu ersetzen. Die Anbieter verdienen bei jedem Kauf und Verkauf mit, aber die Gebühren, die Banken bei der Anlage berechnen, fallen weg. Das ist verlockend! Zudem sind die Apps für jeden jederzeit leicht nutzbar – Verkauf und Kauf lassen sich meist per Swipe umsetzen. Branchenexperten viii verweisen allerdings immer wieder darauf, dass es gerade das langfristige Investieren, das Aussitzen, ist, das sich für AnlegerInnen lohnt. Nervöses reagieren auf Kursschwankungen hingegen nicht.ix Der Blog tradingfreaks.com formuliert es überspitzt aber treffend, bei der Suche nach der Antwort auf die Frage "Wann macht es Sinn, immer zu wissen, wo die Märkte gerade stehen?": "Wenn ich gar nicht investiert bin? Nein, dann ist es doch egal. Wenn ich investiert bin? Auch nein." x

Wie entwickelt sich der Markt der Trading Apps weiter? 

Es bleibt also spannend am FinTech Markt. Smart Data, KI und Automation werden die Apps verbessern und auch komplexe Anlagestrategien für KleinanlegerInnen ermöglichen. Letzten Endes wird es aber der Umgang der KleinanlegerInnen mit den Apps bzw. ihr Investitionsverhalten sein, das gleichermaßen Möglichkeiten und Grenzen der Trading Apps wie Kryptowährung Apps aufzeigt.  


i ORF.at, "Aktien als "Gaming-Trend" bei Jungen", 10.04.21, https://orf.at/stories/3207625/
ii Inpactmedia.com, "Bulle oder Bär?”, 02/2021, https://www.inpactmedia.com/wirtschaft/geld/bulle-oder-baer#4220
iii ORF.at, "Aktien als "Gaming-Trend" bei Jungen", 10.04.21, https://orf.at/stories/3207625/
iv ZEIT ONLINE, "Kleinanleger treiben Kurse angeschlagener Unternehmen in die Höhe", 27.01.2021, https://www.zeit.de/wirtschaft/boerse/2021-01/aktienhandel-kleinanleger-kurse-absprache-boerse-gamestop
v Der Aktionär, "Der No-Broker: Trade Republic und das GameStop-Desaster", 06.02.2021, https://www.deraktionaer.de/artikel/fintech-versicherung-banken/der-no-broker-trade-republic-und-das-gamestop-desaster-20225225.html
vi ORF.at, "Aktien als "Gaming-Trend" bei Jungen", 10.04.21, https://orf.at/stories/3207625/
vii Universität St. Gallen, "Trading Apps verleiten zu risikoreichem Anlageverhalten", 08.02.2021, https://www.unisg.ch/de/wissen/newsroom/aktuell/rssnews/forschung-lehre/2021/februar/trading-apps-verleiten-zu-risikoreichem-anlageverhalten-8februar2021
viii Boerse.de, "Die häufigsten Anfängerfehler", https://www.boerse.de/grundlagen/boersenregeln/Die-haeufigsten-Anfaengerfehler-3
ix faz.net, Markus Frühauf, "Gefährlich viele Unerfahrene", 02.03.2021, https://www.faz.net/aktuell/finanzen/finanzmarkt/wie-unerfahrene-kleinanleger-mit-aktien-spekulieren-17222427.html
x Tradingfreaks.com, Tim Grueger, "Trading App – Fluch oder Segen?”, https://tradingfreaks.com/trading-app-fluch-oder-segen/