Die Marke als Weltverbesserer

Welche Marken werden künftig überdurchschnittlich wachsen? Der GfK-Forscher Dr. Robert Kecskes wagte beim SCREENFORCE Expertenforum einen Blick in die Zukunft: Um erfolgreich zu sein, müssen Marken die neuen Bedürfnisse der jungen Generation verstehen – dabei geht es auch darum, die Welt zu verbessern. In seinem intelligenten Vortrag verknüpfte der Marktforscher harte Marktdaten mit soziologischen Theorien – und lieferte so erhellende Impulse. 

Dr. Robert Kecskes ist beim Marktforschungs-Unternehmen GfK Insights Director, außerdem ist er Soziologe und Buchautor. Beim SCREENFORCE Expertenforum, das als Online-Event am 18. März 2021 stattfand und live aus Köln übertragen wurde, gab er einen anspruchsvollen Einblick über die Chancen von Marken in der Post-Corona-Ära. 

Kecskes startete seine Reise in die Markenzukunft mit einem Rückblick: "2020 war das Jahr der Marke", berichtete er. Herstellermarken hätten im Vergleich zu den Eigenmarken des Handels an Bedeutung gewonnen, allerdings erst ab Mai 2020, nach dem ersten Lockdown. Damals wollten sich viele etwas gönnen, weshalb man mehr Geld für Markenprodukte ausgab. Doch zeigen die detaillierten Analysen, die Kecskes mit den Daten des GfK-Verbraucherpanels durchführte, ein differenziertes Bild: Aufgeschlüsselt nach Altersgruppen werde deutlich, dass es eher die älteren Generationen sind, die Herstellermarken gegenüber Handelsmarken bevorzugen. Bei den jungen Millennials sind Markenprodukte und die Eigenmarken der Supermärkte gleich auf. Das weise, so der Referent, auf einen grundlegenden Wandel im Umgang mit Marken hin. Dieser Wandel sei nicht durch die Kaufkraft und die Sozioökonomie bestimmt, sondern kultureller Art. 

Um diese Entwicklung zu beschreiben, haben die Forscher der GfK die untersuchten Marken in Kategorien zusammengefasst. Vier Markentypen stellte Kecskes vor, basierend auf Bedürfnissen der Kunden: Funktions-Marken seien die klassischen Markenprodukte, oft aus dem Massenmarkt. Sie würden für die Verbraucher eine klare Funktion erfüllen und müssen einfach nur zu ihnen passen. Hybrid-Marken liefern einen individuellen Sondernutzen – z. B. eine glutenfreie Rezeptur. Spannend seien die Sozial-Marken, denn sie erfüllen weitere Bedürfnisse – sie geben ein gutes Gefühl für den Konsumenten und seine Umwelt. Beispiele dafür seien Oatly oder die Veggie-Produkte von Rügenwalder. Noch einen Schritt weiter würden die Visions-Marken gehen – sie seien "Weltverbesserer" und versprächen, mit ihrem Konsum etwas Gutes für den Planeten und die Gesellschaft zu tun. Ein Beispiel dafür sei die Marke Frosch, die große Glaubwürdigkeit besitzt. In den Konsum-Daten haben Kecskes und seine Kollegen diese vier Kategorien nachgebildet und alle Herstellermarken eingeteilt. Wie entwickeln sich nun die jeweiligen Marken-Typen?  

Die Daten zeigen einen klaren Trend: Visions- und Sozial-Marken gewinnen an Bedeutung, gerade in der Corona-Zeit. Sie wuchsen im vergangenen Jahr überproportional, besonders bei den jungen Konsumenten aus der Gruppe der Millennials. Für sie treten die oft traditionellen Funktionsmarken in den Hintergrund. "Hier findet ein Generationswandel statt", so die Schlussfolgerung von Robert Kecskes. Dies würde sich in Zukunft noch verstärken, denn die Millennials seien in zehn Jahren die Entscheider in der Wirtschaft und ihre eigene Bedürfnislage werde sich dann in ihren professionellen Entscheidungen widerspiegeln. 

Wie kann man erfolgreich Sozial- und Visions-Marken aufbauen? Der GfK-Forscher, der soziologische Theorien und Modelle in seiner Arbeit aufgreift, sieht bei den jüngeren Generationen die Suche nach neuen großen Erzählungen. Drei Bereiche identifizierte er dafür: Beim "Green Deal" gehe es um Nachhaltigkeit und Schutz von Umwelt und Klima. Bei dem Thema "Glocal Citizenship" werde ein Ausgleich zwischen dem lokalen Nahbereich und der großen, weiten Welt angestrebt. Dabei würde hier kein Widerspruch zwischen lokal und global gesehen: "Das Lokale ist der Anker, um die Welt zu erleben", so Kecskes. 

Den dritten Bereich in seinem kulturellen Modell nennt Keckses "Bricolage" – hier gehe es darum, jenseits des Dogmas des ökonomischen Wachstums den individuellen und gesellschaftlichen Nutzen zu realisieren. Das führe in ein positives "kreatives Chaos". Daraus resultiere auch ein kreativer Umgang mit Marken und Produkten. Dies sei ein kulturelles Phänomen, das nicht immer leicht zu verstehen sei, gab Kecskes zu. Es passe oft nicht in unsere Erwartungen. An einem Beispiel veranschaulicht er das Prinzip: "Nehmen wir Veggie-Produkte: Hier denken viele, es sei ein Verzicht auf Fleisch, tatsächlich wird es aber als Bereicherung wahrgenommen." Diese drei Trends – Green Deal, Glocal Citizenship und Bricolage – seien nicht isoliert, sondern würden vielfältig ineinandergreifen.  



Was bedeutet das nun für die Kommunikation? Der GfK-Forscher kritisiert die Diskussion um den Brand Purpose. Jede Marke habe einen Zweck, das zu kommunizieren sei seiner Meinung nach bloße "Ingenieurstechnik". Ein "Bricoleur" würde hingegen eine Purpose Brand schaffen – dabei stehe die Marke im Mittelpunkt einer bedeutungsvollen und attraktiven Erzählung, welche das Bedürfnis nach Visionen anspreche. In der Diskussion mit den Teilnehmern des Expertenforums machte Kecskes deutlich, dass ein stimmiges Gesamtbild der Marke wichtig sei, auch wenn die verschiedenen Generationen mit speziellen Botschaften angesprochen werden können. 

Die vorgestellten Trends würden in Zukunft für das Wachstum von Marken relevant sein, so Kecskes. Marken als "Weltverbesserer" entsprechen den Bedürfnissen der heranwachsenden Generationen. Zwar erwarte er nach Corona ein befristetes Zurück in alte Gewohnheiten – die Shopper möchten das Versäumte nachholen. Doch danach würde man zunehmend offener für die Themen, für die Visions- und Sozial-Marken stehen. 

Autor: Dirk Engel 

 

Die Vorträge und Präsentationen sind auf der Website von Screenforce verfügbar.