Frauen in Deutschland: Zwischen Anstrengung und Aufbruch

BRIGITTE-Studie "Mein Leben, mein Job und ich" zeigt: In vielen Bereichen sind zwar alte Klischees überholt, große Unterschiede gibt es aber weiterhin im Berufsleben – und im Haushalt. 

In diesem Jahr hat die BRIGITTE ihre große Studie "Mein Leben, mein Job und ich" aus dem Jahr 2017 neu aufgelegt und erweitert. Wie denken Frauen und Männer heutzutage über ihren Job, ihre Beziehung, Kinder und Geld? Was sind ihre Perspektiven und ihre täglichen Herausforderungen? Was ist ihnen wichtig – und was weniger?  

Die Studie* belegt kleine Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung: Der Anteil der Frauen zwischen 18 und 69 Jahren, die angeben, den Großteil der Hausarbeit zu übernehmen, ist seit 2017 leicht gesunken. Väter, die Elternzeit nehmen, werden heute eher akzeptiert. Frauen wie Männer sind mit der Flexibilität ihrer Arbeitszeit etwas zufriedener. Doch für die meisten Frauen ist all das noch mit großer Mühe verbunden. "Zwischen Anstrengung und Aufbruch" lautet denn auch das Fazit der Studie.  

Die Angst der Frauen vor Altersarmut ist gestiegen 

Schon 2017 sorgten sich viele Frauen, wovon sie im Alter leben sollten: Jede Zweite gab damals an, sich darüber Gedanken zu machen. Statt 49 sagen heute nun 60 Prozent, dass sie dieses Thema (sehr) stark beschäftige. Unter den alleinerziehenden Frauen beträgt der Anteil sogar 64 Prozent. Mehr als ein Drittel aller Frauen (37%) rechnet nur mit einer Rente von bis zu 1.000 Euro, unter den Alleinerziehenden sogar fast die Hälfte (44%). Zum Vergleich: Nur jeder fünfte Mann (21%) erwartet eine so geringe Rente.  

Zwar sorgen Frauen ebenso oft wie Männer privat fürs Alter vor, die Männer aber mit deutlich höheren Beträgen: Fast zwei Drittel von ihnen (62%) investieren mehr als 100 Euro pro Monat in ihre private Altersvorsorge – bei den Frauen legt nur jede Dritte (35%) so viel zurück.  

Jede zweite Frau kann ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten 

Nur jede zweite Frau sagt, sie könne ihren Lebensunterhalt durch ihr Einkommen selbst bestreiten. Männer können das deutlich häufiger (69%). Nur bei rund einem Viertel der Frauen reicht das Einkommen aus, um Rücklagen zu bilden. Sucht man nach den Ursachen für die prekäre Finanzlage, landet man zum einen beim hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigungen: 40 Prozent der befragten berufstätigen Frauen arbeiten nicht in Vollzeit, durchschnittlich arbeiten sie 22 Stunden pro Woche. Hinzu kommen Unterschiede in der Bezahlung: Jede Fünfte sagt, sie habe das Gefühl, für einen vergleichbaren Job weniger Bruttostundenlohn zu bekommen als ein männlicher Kollege. Bei den Männern haben dagegen nur 12 Prozent den Eindruck, weniger zu verdienen als eine Kollegin in ähnlicher Position.  

Nur in einem FÜnftel der Beziehungen ist die Frau Hauptverdienerin 

Nur in einem Fünftel der gemischtgeschlechtlichen Beziehungen verdient die Frau mehr als ihr Partner. In diesen Beziehungen sagen 67 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer, sie fänden es "gar nicht störend", dass die Frau mehr verdiene. Auch sonst zeigt die Studie, dass Frauen und Männer emanzipierter sind, als viele denken. Beispielsweise ist nur noch jeder vierte Mann (26%) und jede sechste Frau (16%) der Meinung, Kinderbetreuung sei Frauensache. Beim Thema Hausarbeit sagen das mit 21 beziehungsweise 13 Prozent noch weniger. Auch die Vorstellung, Frauen seien an Führungspositionen nicht interessiert, erweist sich als Klischee: 58 Prozent der berufstätigen Frauen finden es für ihre Zufriedenheit im Job durchaus (sehr) wichtig, Führungsverantwortung zu haben.  

Beim Thema Hausarbeit tragen MÄnner immer noch eine rosa Brille 

Zwar sind sich Frauen und Männer einig, dass Arbeitsteilung in den letzten zehn Jahren fairer geworden ist. Väter sehen solche Fortschritte jedoch häufiger als Mütter (44 vs. 39%). Ähnlich positiv beurteilen sie den Effekt der Coronakrise auf die Gerechtigkeit zu Hause: 46 Prozent der Väter finden, die Arbeitsaufteilung sei fairer geworden, von den Müttern finden das nur 34 Prozent. Und auch ihr Arbeitspensum schätzen Männer meist positiver ein. Mehr als jeder Dritte sagt über die Organisation und Ausführung von Hausarbeit und Kinderbetreuung: "Machen wir beide gleichermaßen." – doch von den Frauen sagt das nur jede Fünfte, sogar rund drei Viertel geben an: "Das mache hauptsächlich ich." Langzeitstudien wie das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) des DIW zeigen: Der Blick der Frauen ist wohl realistischer. Frauen sind demnach im Schnitt rund 5,5 Stunden pro Tag mit Sorgearbeit beschäftigt, Männer nur knapp drei Stunden. Jede vierte Frau in der Studie findet denn auch: "Mein Partner soll mehr machen." 

*Methodik: Für die repräsentative Studie "Mein Leben, mein Job und ich" füllten 2.000 Frauen, Männer und Diverse zwischen 18 und 69 Jahren aus Deutschland einen Online-Fragebogen mit 144 Fragen aus. Die Befragung realisierte das Meinungsforschungsinstitut Ipsos vom 15.10. bis 4.11.2020 im Auftrag von BRIGITTE.