Bildung goes Digital

Kickstart durch die Pandemie: Der Boom der digitalen Bildungsangebote

Das Coronavirus brachte das öffentliche Leben weltweit nahezu zum Erliegen. Profitiert haben von dieser Situation neben Onlinehändlern, virtuellen Konferenzanbietern und Fahrradherstellern auch diverse App-Anbieter. Das zeigen Download-Auswertungen führen-der Mobile-Analytics-Dienste wie App Annieund Sensortower2.

Wissen für alle: Open Knowledge, Open Resources 

Die Corona-Krise verstärkt eine weitere Trendströmung: Wissen für alle. Massive Open Online Courses (MOOC) wie edX oder Udemy, digitale Angebote an Fernuniversitäten oder Volkshochschulen, aber auch Sprachlern-Apps wie Babbel oder Duolingo, sind beliebter denn je. Selbst Unternehmen wie SAP öffneten ihre Lernplattformen für Interessierte – kostenlos. 

Auch nach der Krise werden wir uns online weiterbilden. Ob Nachhilfe-Threads auf Twitter oder Uni-Vorträge im Facebook-Livestream: Offene Bildungsformate sind seit der Pandemie zum Normalfall geworden. Das gilt auch für das Lernen als Freizeitbeschäftigung: Die Zahl von Online-Sprachkursen stieg rapide an, Bildungs- und Lern-Apps wurden zuhauf heruntergeladen. Selbst Google überarbeitet sein Education-Angebot und stellt ab April vier Varianten von Lehr- und Lerndiensten zur Verfügung.  

Bildungs-Apps 

Die Zeit im ersten Lockdown konnte man zu Hause zum Beispiel zum Lernen einer neuen Fremdsprache nutzen, und so gibt es auch bei den Bildungs-Apps im Vergleich zum letzten Quartal 2019 ein Wachstum von 35 Prozent. Zu den weltweit fünf beliebtesten Downloads zählten "Google Classroom", "YouTube Kids", "Photomath", die Sprachlern-App "Duolingo" und die Klavierlern-App "Simply Piano".  

"Google Classroom" verzeichnete allein im April 2020 28,2 Millionen Downloads, was einer 21-fachen Steigerung gegenüber dem Vorjahresmonat entspricht. Die Länder mit den meisten Installationen der App im ersten Quartal 2020 waren die USA mit 15 Prozent der gesamten Downloads und Indien mit etwa 13 Prozent. In Deutschland zählten im gleichen Zeitraum die Apps "ANTON - Schule - Lernen", "Moodle" oder die Sprachlern-App "Babble" zu den meistinstallierten Apps.3  

Bildungs-Startups 

Bildungs-Startups erleben nicht zuletzt durch Corona und die damit voranschreitende Digitalisierung der Schullandschaft einen starken Auftrieb: So erhielt Simpleclub Mitte Oktober eine Finanzierung für die weitere Gestaltung seiner Online-Nachhilfe-Videos.  Ebenfalls frisches Kapital einsammeln konnten das Kommunikations-Tool Sdui, das den digitalen Austausch zwischen Lehrern, Schulleitung, Eltern und SchülerInnen verbessern will und das E-Learning Start-up StudySmarter, über dessen Plattform Studierende und SchülerInnen ihre Lernunterlagen (wie Vorlesungsfolien und -skripte) hochladen können, die anschließend mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz analysiert und verarbeitet werden. 

Knowunity: Spotify für Schulwissen 

Im September 2020 ging die App Knowunity an den Start. Benedict Kurz und seine Mitgründer, damals alle noch jünger als 20 Jahre, hatten sich nichts Geringeres vorgenommen als das "Spotify für Schulwissen" zu schaffen. SchülerInnen (idealerweise die guten, fleißigen; "Knower" genannt) laden ihre Lernunterlagen wie Referate, Zusammenfassungen von Literatur oder Powerpoint-Präsentationen aus verschiedenen Schulfächern hoch und machen diese so anderen SchülerInnen (die weniger gut sind) zugänglich. Eine Lerngruppe 2.0 sozusagen, in der sich die Beteiligten untereinander nicht persönlich kennen.

Scoyo setzt auf Gamification 

Mit dem für eine Lernplattform ungewöhnlichen Claim "Du wirst Augen machen" will sich Scoyo als nützlicher Helfer in Homeschooling-Zeiten profilieren. Nach einem im Herbst 2020 vollzogenen Eigentümerwechsel soll nun ein stärkerer Gamification-Ansatz für mehr Spaß beim Lernen sorgen. Bei Spiel- und Quizformaten sollen Schüler etwa eine sofortige Belohnung für gelöste Aufgaben erhalten. Dies geschieht in Form von virtuellen Münzen, die in einem Prämienshop gegen Belohnungen, wie Avatare, ausdruckbare Bastelbögen und später Kino- und Geschenkgutscheine eingetauscht werden können. 

Home-Office mischt die E-Learning-Branche auf 

Zum 15. Mal hat das mmb Institut die Ergebnisse seiner jährlichen Trendstudie veröffentlicht4 . Wieder wurden ExpertInnen gebeten, die Trends und Themen einzuschätzen, die in Zukunft das digitale Lernen bestimmen werden. Der Zwang und gleichzeitig auch der gutgemeinte Anstoß, das Lernen zu digitalisieren und "auf Distanz" zu lernen, beeinflussen sicherlich die Prognosen. In diesem Jahr stehen als Trends "Blended Learning" – also die Kombination der Vorteile von Präsenzveranstaltungen zu Home-Office und E-Learning – und "Virtuelle Klassenräume/ Webinare" ganz oben. 

Hausaufgabenhilfe per Smartphone 

Google hat während der Covid 19-Pandemie seine Tools für virtuelle Bildung erweitert. Dazu gehört unter anderem ein Service, bei dem SchülerInnen und Studierende einfach ein Foto ihrer Aufgabe in einem naturwissenschaftlichen Fach aufnehmen müssen. Eine KI hilft dann bei der Suche nach der Lösung. Das funktioniert über die App Google Lens oder die ebenfalls von dem Konzern stammende Bildungs-App Socratic. Die Nutzenden machen ein Bild von der Aufgabe und bekommen Schritt-für-Schritt-Anleitungen zur Lösung. Zudem können Themen in MINT-Fächern per Augmented Reality visualisiert werden. 

Junge Generationen möchten interaktive Weiterbildungsangebote 

Eine Generationenstudie des Trend Research Teams zeigt, dass besonders junge Generationen viel Wert auf Weiterbildung legen und v.a. spielerischen und interaktiven Lernangeboten gegenüber aufgeschlossen sind. Digitale Lernangebote mit Gamification-Ansatz sollten hier auf positive Resonanz stoßen.

 

Wenn etwas bleibt aus dem Jahr 2020, dann die emotional positive Besetzung der Digitalisierung. Sie führte an vielen Stellen Menschen aus einer Falle, war Angstlöser. Im besten Fall entstehen auch künftig weitere neue kreative Techniken, die neben traditionellen Arbeitsweisen parallel bestehen bleiben.  

Eine flächendeckende Implementierung digitaler Lösungen ist zentral, um zu verhindern, dass die Bildungsschere noch weiter auseinander geht. Das Bildungssystem muss dafür sorgen, dass auch Kinder aus sozial schwachen Familien sowie öffentliche Bildungsinstitutionen mit diesen Entwicklungen Schritt halten können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Ungleichgewicht in der Bildung sich nach der Krise sogar noch verstärken könnte.  

Gleichzeitig machte die Krise aber auch deutlich: Digitale Technologien können guten Unterricht nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.