Ein Blick hinter die Agentur-Kulissen

Die Corona-Krise hat die gesamte Werbebranche getroffen, doch besonders hart viele Werbeagenturen. In Krisenzeiten ist es immer leicht, am Werbebudget zu sparen und das trifft nicht nur die Medien, sondern auch alle diejenige, die Werbe- und Marketing-Maßnahmen konzipieren, gestalten und planen. Das ist vielleicht der richtige Zeitpunkt, einen Blick auf die Agenturen zu werfen, um ihre Lage besser zu verstehen.

Der Werber Thomas Meichle hat dazu ein informatives Buch geschrieben: „Gebrauchsanweisung für Werbeagenturen“. Darin plaudert er aus dem Nähkästchen, aber nicht so, wie es andere Agenturleute machen, die sich plötzlich berufen fühlen, ein Buch zu schreiben, um Anekdoten zu erzählen oder ihre eigene Großartigkeit zu feiern. Meichle schreibt in einen unaufgeregten Tonfall alles auf, was ihm zum Thema Werbeagentur einfällt.

Das ist eine Menge: In zehn Kapiteln ordnet er seine Erkenntnisse. Er beschreibt, wie schwierig manchmal die Beziehung von Chef und Mitarbeitern ist, wie essenziell das Neugeschäft für jede Agentur ist, wie sich Agenturen mit der eigenen Positionierung abmühen und über die Probleme mit der fairen Honorierung. Der Autor, der früher im Vorstand des Agenturverbandes GWA aktiv war, richtet sein Buch an die Leiter von eher kleinen und mittelständigen Werbeagenturen, die großen internationalen Networks sind ihm eher fremd.

Doch viele der Probleme der kleinen lassen sich auch bei den großen finden. Der Blick ist nüchtern, die Veränderungen der vergangenen Jahre werden aufgezeigt, ohne die Vergangenheit zu verklären. Agenturen kämpfen darum, Nachwuchs zu finden, vorbei die Zeiten der 15 Prozent AE-Provision, die vor einer detaillierte Kostenaufschlüsselung bewahrte.

Heute ist es wichtiger, die eigene Agentur klar zu positionieren und Prozesse zu strukturieren. Dabei hilft dieses Buch, auch wenn die „Gebrauchsanweisung“ weniger ein Management-Ratgeber als ein Essay über die Hochs und Tiefs im Agenturalltag ist. Der typische Beraterjargon wird vermieden. Allerdings leitet der Autor am Schluss jedes Kapitels kurze Tipps aus dem Gesagten ab, die sicherlich sinnvolle Impulse geben.

Das alles ist nicht nur für Insider interessant, sondern gerade für diejenigen, die mit Werbe- oder anderen Kommunikationsagenturen arbeiten. Der Blick hinter die Kulissen entzaubert die Agenturwelt nicht, sondern fördert das Verständnis für sie. Im Idealfall wird allen bewusst, wie wertvoll ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Auftraggeber und Agentur ist – gerade in einer Krise, wie wir sie jetzt erleben.

Dirk Engel