Neue Väter und alte Rollenklischees

Dadvertising ist ein neuer Marketingtrend, der die Väter ins Zentrum des Interesses rückt. Was genau dahintersteckt und wie sich das Rollenbild des Mannes in der Familie wandelt, beleuchtet eine Analyse der DATA ALLIANCE.

Die neuen Väter – im Marketing und im Alltag

Die aktuelle Elterngeneration besteht aus Millennials, die unverkrampfter an das Thema Kinder und Familie herangeht als ihre Vorgängergenerationen. Millennials sind mit digitalen Medien aufgewachsen, haben bereits in jungen Jahren teils mehr von der Welt gesehen als ihre Eltern im Rentenalter. Diese Erfahrungen fließen in ihre Elternschaft mit ein.

KLASSISCHE ROLLENVERTEILUNG BRÖCKELT

Elternschaft wird oftmals nicht mehr nur im klassischen „Male Breadwinner-Modell“ gelebt, sondern mit zwei gleichberechtigten Elternteilen, die das Leben trotz oder gerade wegen der Kinder genießen wollen.

WAS BEWEGT JUNGE VÄTER?

Betrachtet man das Thema Elternschaft in den Medien, so zeigt sich: Für Frauen gibt es vor, während und nach der Schwangerschaft diverse auf sie zugeschnittene mediale Angebote. Doch vor dem Hintergrund der Diskussion um Gleichberechtigung, um die Rollen- und Aufgabenverteilung im Familienalltag und um ein neues, modernes Männlichkeitsverständnis rücken nun auch die emotionalen und psychologischen Bedürfnisse der Väter stärker in den Vordergrund. Wie verstehen sie ihre Rolle? Was bewegt moderne, junge Väter?

ROLLENBILD UNTER DER LUPE

Aus diesem Grund nahm das Team Trend Research der DATA ALLIANCE diese Zielgruppe genauer unter die Lupe. Gemeinsam mit Kolleg:innen von G+J und der Mediengruppe RTL diskutierten sie mit (teils werdenden) Vätern zu ihrer Rolle, ihren Bedürfnissen und Wünschen.

Die Diskussion hat gezeigt: Das Rollenbild der modernen, trendaffinen Väter hat sich deutlich gewandelt. Ein viel komplexeres, nicht mehr dem „traditionellen Bild von Männlichkeit“ entsprechendes Selbstverständnis hat sich etabliert.

Junge Väter möchten sich aktiv in die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder einbringen und bewusst mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Entsprechende Wünsche äußern sie auch in puncto Medienangeboten.

Neue Väter GEWÄHREN EINBLICK

Die „Let‘s talk about Trends*“-Gruppendiskussion zeigt, dass sich in der Zielgruppe der modernen, eher dem expeditiven Milieu (Quellen:1) entstammenden Väter ein Selbstverständnis etabliert hat, dass teils gänzlich dem „traditionellen“ Vaterbild widerspricht. *siehe: Innovative Methodik - Let's talk about Trends

Die Männer sehen – im Gegenteil zu weiten Teilen früherer Generationen – keinen Gegensatz zwischen emotional-empathischer Fürsorge und ihrem Bild von Männlichkeit. Für die Teilnehmer sind gemeinschaftliche Verantwortung und Aufgabenverteilung in der Partner- und Elternbeziehung eine Selbstverständlichkeit.

Sie möchten Verantwortung in der Kindererziehung übernehmen und als Vater präsent sein:

"Ich gehe gerne alleine raus mit meinem Kind. Das gabs vor 20 Jahren nicht. Ich will auch Bezugsperson sein vom Kind. Männlichkeit heißt auch, da zu sein."

Home-Office erleben sie in diesem Zusammenhang als positives Angebot. Durch die vermehrte Zeit zu Hause sei vieles möglich, was vorher eher Wunschdenken war. Eine Befragung im IloveMyPanel zur Quantifizierung der in der Gruppendiskussion erfassten Insights bestätigt, dass Fürsorglichkeit für junge Väter nicht mehr im Gegensatz zu einem männlichen Rollenbild steht.

Quelle 1: sinus-institut.de, „Die Sinus-Milieus“, https://www.sinus-institut.de/fileadmin/user_data/sinus-institut/Bilder/sinus-mileus 2015/2015-09-23_Sinus-Beitrag_b4p2015_slide.pdf

ORIENTIERUNGSHILFEN GESUCHT 

Die neuen Väter wünschen sich (mediale) Orientierungshilfen Die Trend Research-Gruppendiskussion zeigt, dass trotz der großen und glücklichen Momente eine gefühlte Unsicherheit bei den Vätern bleibt – und auch eine fehlende Orientierung.

Beispiele für Väter in der Hauptrolle

Erfolgreiche Staffel „Papadag“ (Niederlande)

Bei unseren Nachbarn findet sich eine Familienserie über eine Gruppe von Vätern, die sich jeden Donnerstag am Spielplatz Sandkasten trifft. Trotz ihrer Differenzen entwickeln die Männer eine Freundschaft und gründen eine Gruppe auf WhatsApp und leben das neue „Papaleben“, was sonst nur Müttern bekannt sei. Sehr erfolgreich mit zwei Staffeln auf NPO3, eine dritte Staffel ist für Ende 2021 angekündigt. (Quelle: 2)

Wie wird man ein perfekter Vater? (Schweden)

Die Rolle von Patrik in „Bonusfamiljen“ machte Jerka Johansson zum nationalen Vorzeigepapa. In „En perfekt föralder“ (dt. „ein perfekter Elternteil“) erforscht er für seinen Arbeitgeber SVT1, was gute Eltern überhaupt ausmacht. Hier liegt der Fokus vor allem auf jungen Papas in Elternzeit – ein etabliertes Bild in Schweden. In dieser Sendung sucht er mit Hilfe von Expert:innen nach Antworten auf seine Fragen, wie man beispielsweise mit seinen Kindern wichtige Themen, wie Essen, die Gefahren des Internets oder sogar den Tod anspricht. Dabei lernt er, wie er ein perfekter Papa für seinen Sohn und seine Tochter werden kann. (Quelle: 3)

Verdens beste pappa (Norwegen)

Eine Eltern-Doku-Soap, die sechs Väter von kleinen Kindern in ihrem Alltag und den Schwierigkeiten, die sie zu bewältigen haben, begleitet. Expert:innen kommentieren das Filmmaterial. Eine Familientherapeutin und eine Erzieherin geben den „neuen“ Vätern Ratschläge.

Quelle 2 Internationale Programmforschung (IPR) der MGRTL
Quelle 3 Internationale Programmforschung (IPR) der MGRTL

 

Die neuen Väter – im Marketing und im Alltag

Die Marketingbranche hat die „neuen Väter” bereits entdeckt und schafft so neue Vorbilder in der Werbung. „Dadvertising” nennt sich dieser neue Marketingtrend.

In den USA wird die neue Zielgruppe der Superdaddys bereits seit Längerem umworben. Väter in der Werbung werden einerseits als liebevoll zärtliche Väter, andererseits als Manager und Akteure im Familienalltag Alltag und Haushalt gezeigt.

Der Dadvertising-Trend spiegelt eine langsamen, aber nicht aufzuhaltenden Trend wider. Das Thema Männlichkeit wird neu aufgeladen – und damit bekommen Elternschaft und Familie neue Facetten. Doch trotz der immer stärkeren Präsenz der „neuen“ Väter in Medien und Werbung, zeigen Studien immer noch eine Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Eine repräsentative Umfrage von mehr als 1.000 Eltern zeigt, dass die klassischen Rollenbilder nach wie vor stark verbreitet sind. (Quelle: 5) Hauptverdiener ist häufig immer noch der Vater. Demnach verbringen mehr als zwei Drittel der Väter werktags weniger als vier Stunden mit ihren Kindern.

Trendwende in Sicht

Es deutet sich aber eine Trendwende an: Denn glücklich sind die Väter mit der aktuellen Situation nicht. 90 Prozent der befragten Väter möchten gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Am Samstag und Sonntag bleibt mehr Zeit: Dann hat ein Drittel sogar täglich mehr als acht Stunden für gemeinsame Aktivitäten zur Verfügung. Und es sind nicht immer die großen gemeinsamen Projekte wie Reisen, Radtouren, Ausflüge oder Outdoor-Aktionen, die auf der Wunschliste oben landen. Viele Väter wünschen sich mehr Kuschelzeit, intensive Gespräche oder Spielzeit sowie gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie.

Der „Dadvertising”-Trend in der Werbung

In der Pampers-Welt waren die Rollen lange Zeit „traditionell“ verteilt: Fröhliche Babys, kompetente Mütter und als Gastrolle ab und zu auch mal auch ein Vater – allerdings oft eher als überforderter und etwas trotteliger Zuschauer. In der neuen Kampagne „Mit Liebe in Deutschland gemacht“ (Quelle: 6) haben sich die Rollen verändert: Protagonist:innen der TV-Spots sind zwei Pampers-Expert:innen: Produktentwickler Thomas Fritz als werdender Vater und Produktionsleiterin Claudia Wessel als Mutter stehen für Fachkompetenz der Marke und bringen eine sehr persönliche Motivation mit in ihren Job.

Quelle 5: Umfrage von Statista, dem Online-Portal für Statistik und Meinungsforschung, im Auftrag von Stokke, dem norwegischen Hersteller von Kinderwagen und Kindermöbeln, https://www.daddylicious.de/wochenendvaeter-studie/ 
Quelle 6: Procter & Gamble: Jetzt dürfen bei Pampers auch Väter für Windeln werben (horizont.net)

Die neuen Superdaddys?

Auch wenn die Statistiken sie noch nicht rundum quantitativ erfassen, die neuen Väter stehen für eine andere Sichtweise auf die Vaterschaft. Sie sehen in ihrer Rolle deutlich mehr als die nüchterne Vaterschaft früherer Generationen. Lange Zeit in konservativen Kreisen als „typisch weiblich“ geltende Werte wie Fürsorge, Pflege und Zuwendung sowie Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Kochen und Haushalt gehören – zumindest im Selbstverständnis – zu den Attributen der neuen Männlichkeit und haben Potenzial, denn neuen Idealtypus des modernen Vaters zu prägen.

Denn: Die Aussagen aus der Gruppendiskussion fanden sich ebenfalls in der Quantifizierung der Ergebnisse wieder. Haben wir hier die neuen Superdaddys gefunden? Vielleicht.

Ja - Nein - Vielleicht

Aber: Ob der eigene Anspruch auch in der Wirklichkeit umgesetzt werden kann, hängt von vielen Faktoren ab – nachzulesen in der gesellschaftlichen Debatte um Gleichberechtigung in puncto Gehälter und Anerkennung von Care Arbeit. Fest steht jedoch: Die neuen Väter möchten aktiv mitwirken, Qualitätszeit mit den Kindern verbringen und offen sein für neue Themen der Kindererziehung.

CHANCE FÜR WERBUNG

Mit den neuen Chancen einher geht aber auch eine große Unsicherheit seitens der Väter. Werbungtreibende sollten in der Kommunikation darauf achten, Männer in ihrer Vaterrolle ernstzunehmen. Glaubwürdige Väter mit Zweifeln aber auch schöne Momente der Vaterschaft - das wünscht sich die Zielgruppe.