RTL

Programmatic TV – and more

Programmatic allerorten: Der Begriff elektrisiert bislang vor allem die Online-Branche, doch seine Bedeutung reicht weiter. Was hat es mit dem Thema also im Hinblick auf TV auf sich, wo steht der Markt und welche Perspektiven bieten sich?

Anlässlich des Seasonstarts gibt FOURSCREEN einen Ein- und Ausblick – im Gespräch mit Jens Pöppelmann, Director Media Operations bei IP Deutschland.

jens_poeppelmann

Das Thema Programmatic ist in der Online-Welt bereits ein riesiger Hype. Was hat es damit konkret in Bezug auf TV auf sich?

Es geht grundsätzlich um die gleichen Themen: die Überwindung von Brüchen zwischen unterschiedlichen Systemen per Schnittstelle, dadurch automatisierte Buchungsprozesse und kürzere Reaktionszeiten. Damit geben wir Agenturen die Möglichkeit, ihr Einkaufsverhalten zu optimieren.

Das klingt nun schon weit weniger revolutionär als der trendige Begriff vermuten lässt. Wie automatisiert oder programmatisch ist Ihr TV-Geschäft denn bereits?

Die Buchung von TV-Werbeflächen in Deutschland ist zumindest zum Teil bereits insofern automatisiert, als dass die großen TV-Vermarkter seit vielen Jahren eigene webbasierte Buchungstools haben. Agenturen können sich in diese kostenlosen Tools einloggen und bspw. Werbeinseln auf Basis ihrer Konditionen bebuchen, Verfügbarkeiten abfragen und Reportings herunter laden. Diese Informationen kommen automatisch aus bzw. fl ießen in die jeweiligen Vermarktersysteme.

Das heißt, Sie würden diesen Prozess schon als programmatisch bezeichnen?

Nicht ganz: Was bislang noch fehlte, ist die unmittelbare Anbindung an die Agen tur systeme. Durch die Schnittstelle, die IP inzwischen bietet, können beide Seiten nun auf technischer Basis automatisch miteinander kommunizieren – also genau das, was man unter programmatisch im Medienumfeld versteht. Ein Agenturmitarbeiter bekommt damit die Möglichkeit, über die Oberfl äche seines eigenen Einkaufsoder Optimierungsprogrammes direkt auf unser Buchungssystem zuzugreifen. Die einzigen Kosten, die auf Agenturseite dafür anfallen, bestehen in der techni schen Implementierung der Schnittstelle in ihre eigenen Systeme. Bislang wird im Verhältnis nur eine kleine Menge Spots auf diese Weise bei uns eingebucht, jedoch mit steigender Tendenz.

Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit den teilnehmenden Agenturen gemacht?

Grundsätzlich sind diese unterschiedlich schnell, was die Integration der Schnittstelle angeht. Dafür gibt es verschiedene Gründe: etwa große, bereits laufende und nicht verschiebbare technische Projekte, die Ressourcenausstattung oder Qualität des technischen Dienstleisters der Agentur. Letztendlich hat sich im Laufe des Projekts die Mediacom als erster echter Nutzer der Schnittstelle herauskristallisiert: Zunächst wurde nur ein einzelnes Einkaufsteam mit den neuen Funktionen vertraut gemacht und den Mitarbeitern überlassen, ob sie über die Schnittstelle oder klassisch über das IP Buchungstool Cool Spots bei uns einbuchen wollen. Glücklicherweise war das Feedback so positiv, dass inzwischen weitere Einkaufsteams programmatisch bei uns einbuchen. Wir sind derzeit intensiv mit der Anbindung weiterer Agenturen an die Schnittstelle beschäftigt, und freuen uns über jeden neuen Nutzer.

Wie passt der Ansatz von Programmatic denn überhaupt mit Ihrer Ausrichtung als Premiumvermarkter zusammen, der nicht müde wird, die Qualität seiner Umfelder zu betonen?

Programmatic in unserem Kontext hat erstmal nur einen Einfluss darauf, wie wir Werbeflächen im TV zukünftig verkaufen können, nicht aber, was wir programmatisch verkaufen werden: Es geht darum, die Benefits moderner Technologien auszunutzen Dies sieht man bspw. im Online-Bereich – durch den programmatischen Handel auf Basis von Real Time Advertising (RTA) betreiben Agenturen eine Art Cherry-Picking, also praktisch genau das Gegenteil von Ramschverkauf. Programmatisch gehandelte Kampagnen sagen also nichts über die Qualität der gehandelten Umfelder aus.

Dies gilt vermutlich umso mehr für Programmatic im TV-Bereich?

Ja, im TV verhält es sich im Prinzip – und insbesondere in Bezug auf die Qualität – ganz genauso. Der einzige Unterschied ist, dass aufgrund der Linearität hierbei die Auslieferung naturgemäß nicht unmittelbar in Echtzeit erfolgen kann, wir sonst aber ohne
Abstriche über echtes Programmatic reden. Wir gehen damit auch auf die Anforderungen von Agenturen und Werbekunden ein, die immer mehr nach Automation und Effizienz verlangen. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass wir die Effizienzgewinne auf unserer Seite in zusätzliche Ressourcen investieren können, die sich um die Beratung und Konzeption individueller Inszenierungen kümmern können.

Was ist Ihre langfristige Vision, welchen Zeithorizont sehen Sie dafür, und wie weit sind Sie auf diesem Weg schon gekommen?

Wir sind davon überzeugt, dass mittel- und langfristig die Nachfrage nach Device-übergreifenden Kampagnen stark zunehmenwird. Das gilt sowohl für programmatisch als auch direkt verkaufte Kampagnen. Dafür brauchen wir ein entsprechendes Buchungstool, das TV und Online zusammenführt, und das über eine Schnittstelle mit Agentursystemen in Verbindung steht. In unserer 5-Jahres-Vision heißt dieses Tool Fourscreen Cool und meint letztlich die Zusammenführung von WebCool und AdPlanner. Selbst wenn die  ausliefernden Systeme – Broadcast- vs. Ad-Server-Mechanik – immer noch unterschiedlich sind, wäre damit eine Buchung über alle Plattformen hinweg innerhalb eines einzigen Prozesses möglich, inklusive Ausweisung von Reichweiten, Rechnungsstellung, Motivverwaltung usw. Hierfür sammeln wir derzeit die grundlegenden Anforderungen, und beobachten gespannt diverse Marktentwicklungen, u. a. auch in Sachen Streamingwährung.

Was benötigen Sie noch alles zur Realisierung dieses Plans, und auf welchen Wegen bekommen Sie das nötige Know-how ins Unternehmen? Welche Rolle spielen Akquisitionen in diesem Zusammenhang?

Die Entwicklung vollzieht sich auf mehreren Ebenen, von denen wir nicht alle direkt beeinflussen können. Es gibt einerseits den Bereich Technik, wo wir als Mediengruppe durch eigene Zukäufe oder auch über Akquisitionen der RTL Group viel technisches bzw. programmatisches Know-how mit den dazugehörenden Systemen erworben haben. Zu nennen wären in dieser Hinsicht insbesondere SpotX und Smartclip als erfahrene Player in den Bereichen Programmatic Video, Ad-Serving und Addressable TV, Clypd als Spezialist für Programmatic TV und in puncto Buchungssysteme SQL Service.

Wobei es mit dem Erwerb allein sicherlich nicht getan ist …

Richtig – hier gilt es nun, gemeinsam mit der hauseigenen IT der Mediengruppe RTL eine Gesamtstrategie zu entwickeln und umzusetzen, die durch die Verknüpfung all dieser Kompetenzen firmenübergreifend möglichst viele Synergien entstehen lässt und konkret nutzbare Benefits erzeugt. Neben Programmatic TV arbeiten wir hier bereits in verschiedenen Projektgruppen an Teilaspekten wie Big Data und Addressable TV. Dann gibt es den Bereich Methodik, d. h. konvergente Währungen, KPIs und Messverfahren, die in den Systemen abgebildet werden müssen. Hier können wir nur indirekt über Gremienarbeit unseren Teil dazu beitragen, dass Marktlösungen gefunden werden.

Wo stehen Sie denn insgesamt mit ihrer Entwicklung im Verhältnis zum Markt?

Selbstverständlich hängt vieles auch mit dem Verhalten der großen Mediaagenturen zusammen, bei denen die TV- und Online-Teams zum Teil aktuell noch streng getrennt agieren. Dabei zeigt sich immer wieder, dass wir bei IP mit unseren Strukturen bereits frühzeitig die Richtung eingeschlagen haben, in die sich zwangsläufig alles bewegen wird, derzeit teilweise dem Markt aber noch ein Stück voraus sind. Wir behalten das im Auge und versuchen unseren Kunden natürlich zu jedem Zeitpunkt ein möglichst passendes Gegenstück bieten zu können – das hält uns allerdings nicht davon ab, weiter mit Hochdruck an der Fortentwicklung der Tools für die Zukunft zu arbeiten!