Der Shutdown als hochrentable Investition

Wie beeinträchtigt die Corona-Pandemie die Konjunktur? Diese Frage verursacht bei vielen Unternehmern und Arbeitnehmern schlaflose Nächte. Das ifo-Institut beobachtet und prognostiziert seit Jahrzehnten die konjunkturelle Entwicklung. Sein Präsident Prof. Dr. Clemens Fuest zeigte anhand vieler aktuellen Daten die möglichen Szenarien. Sein Fazit: Nach anfänglichen positiven Zeichen komme das Wirtschaftswachstum durch den derzeitigen November-Lockdown zum Stillstand. Trotzdem hält er die Maßnahmen auch aus wirtschaftlicher Sicht für sinnvoll.

video_error_image
Dieses Video ist leider nicht verfügbar!

Prof. Fuest beginnt mit einem Blick auf die Geschichte: Das Einbrechen der Wirtschaftsleistung ist in der Corona-Krise so stark wie zu Beginn der großen Depression in den 30er Jahren des 20. Jahrhundert. Doch während damals eine jahrelange Rezession begann, rechnen die Experten mit einer schnellen Erholung im nächsten Jahr. Allerdings wird der gerade stattfindende kleine Lockdown, der in den vorgestellten Analysen noch nicht berücksichtigt wurde, diese Entwicklung deutlich abschwächen. Universelle Einkommensverluste als Corona-Folge gebe es bisher nicht – denn die Situation sei nicht in allen Branchen gleich. Während etwa Gastronomie, Kultur und Tourismus hart getroffen seien, würden etwa der Lebensmittelhandel oder die Pharmaindustrie gut durch die Krise kommen, die Digitalwirtschaft und der E-Commerce könnten sogar als Gewinnersektoren bezeichnet werden. Problematisch sei aber das, was der Experte die zurückgestaute Kaufkraft nennt: Die Verbraucher verfügen durchaus über Geld, aber sie geben es nicht aus. Die Gründe: Es fehlten ihnen dazu Gelegenheiten wie z. B. Freizeitangebote und Reisen, aber auch würden viele bewusst sparen und vorerst auf weniger notwendige Anschaffungen verzichten. Fuest nennt das den  "sozialen Konsum" – und der schwächelt nach wie vor, was die Konjunktur beinträchtige.

Das ifo-Institut erhebt bei deutschen Unternehmen kontinuierlich Indikatoren für das Geschäftsklima – dabei geht es sowohl um die derzeitige Lage wie um die Erwartungen für die nächsten sechs Monate. Wenn man sich die Verläufe anschaue, zeige sich ein V-Verlauf,  – also ein sehr tiefer Absturz Anfang des Jahres und ein schneller Anstieg. Dies gelte besonders bei den Erwartungen für das nächste halbe Jahr. Der Experte mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation: "Das heißt nur, wenn man ganz unten ist, kann nur besser werden. Aber es ist noch nicht besser," erläutert Fuest.

Andere beobachtete Indikatoren zeigen ein ähnliches Bild: Exporte sind um 10 Prozent unter dem Vorjahrswert, die allgemeine Mobilität ebenfalls. Manche sprechen schon von einer 90%-Wirtschaft, also eine Ökonomie, die nicht mit voller Kraft arbeitet. Spannend sei die Frage, ob eine Welle von Insolvenzen auf uns zukomme. Dagegen spricht die asymmetrischen Auswirkungen (d. h. nicht alle Sektoren seien gleich betroffen) und das niedrige Zinsniveau, wodurch Kredite für Unternehmen leichter zu bekommen seien. Jedoch konnte in den Prognosen, die Fuest vorstellt, noch nicht der November-Lockdown eingerechnet werden. Ein überarbeitetes, aber vorläufiges Szenario schätzt, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum durch die Maßnahmen im November stagniert. "Vielleicht muss man das trotzdem als eine hochrentable Investition zur Vermeidung eines schärferen Shutdowns ansehen", meint Fuest. Erfahrungen aus dem Umgang mit der spanischen Grippe in den USA Anfang des letzten Jahrhunderts deuten darauf hin, dass Lockdown-Maßnahmen sogar eine schnellere wirtschaftliche Erholung begünstigen. Sein Fazit: "Gesundheitsschutz und Wirtschaft passen zusammen."

Was wird nach der Krise passieren? Kritisch sieht Prof. Fuest die Bemühungen der Politik, umweltpolitische Ziele an die krisenbedingte Wirtschaftsförderung zu binden. Der sogenannte "Green New Deal" erscheint dem Experten problematisch, da hier der Staat zu stark in den Markt eingreifen würde. Geldpolitik und Umweltpolitik sollten nicht vermischt werden, Bürokratie und staatliche Steuerung dürfen nicht überhandnehmen. Der Markt sollte das selbst regeln, zum Beispiel durch einen Preis für CO2-Emissionen. "Wir brauchen einen wirtschaftlich überzeugenden Green New Deal, der wirtschaftliche Chancen bietet", meint Fuest.