Nur "Purpose" reicht nicht – Wie Marken Orientierung bieten

Die Pandemie zwingt zum Innehalten, der Klimawandel erfordert ein Umdenken hinsichtlich des Konsumverhaltens und die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt und das Kaufverhalten. Alles dies trägt zu einem Verlust an Stabilität bei. Marken können Orientierung bieten.

SINNSTIFTENDE MARKEN GEBEN IN EINER UNBESTÄNDIGEN WELT ORIENTIERUNG UND HALT

Zentral ist heute, dass Werbung nicht nur informiert und inspiriert, sondern die Werte der Marke in den Mittelpunkt der Kommunikation stellt. Werbetreibende müssen heute mehr denn je zuhören und glaubwürdig auf das eingehen, was (potenzielle) Kunden gerade beschäftigt. Dabei zeigt gerade die jüngere Generation in ihrer Suche nach Sinn eine zunehmende Affinität zu Unternehmen und Produkten, die sich einem glaubwürdigen und relevanten Purpose verschrieben haben und diesen auch leben. Authentizität und Transparenz sind hier die Schlüsselwörter.

So wird besonders denjenigen Unternehmen, die "Driven by Purpose" sind, die also einen "höheren" Sinn in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation stellen, für die Zukunft ein Erfolg prognostiziert. Doch so einfach ist das nicht: Künstlich kreierte und stereotypisierte Werbe-Versprechen werden von den Verbrauchern leicht enttarnt und können dann sogar das Markenimage beschädigen. Nur das "Gute" zu kommunizieren reicht nicht, wenn es sich hierbei um eine Fassade handelt.

VERBRAUCHER HINTERFRAGEN DIE MARKEN-KOMMUNIKATION IN DER KRISE

In der Corona-Krise stellt sich bei den Deutschen immer mehr Ernüchterung ein. Zu diesem Ergebnis kommt die inzwischen sechste Ausgabe der Studienreihe "pilot Radar“", die sich mit der Markenkommunikation in Zeiten von Corona beschäftigt.*

Stark an Zuspruch verloren hat etwa die Überzeugung, dass die Corona-Krise die Gesellschaft stärker zusammenschweißen könnte; die Zustimmung zu dieser Aussage fällt von 70 Prozent auf 57 Prozent. Bei der Aussage "Ich traue den meisten Marken/Unternehmen zu, dass sie mehr an die Gesellschaft als an den Profit denken" haben die Zustimmungswerte ebenfalls von Woche zu Woche verloren – von anfangs 50 Prozent auf aktuell 34 Prozent. Umso wichtiger ist, dass Marken jetzt Vertrauen zurückgewinnen, indem sie glaubwürdig kommunizieren und Orientierung bieten. Dazu gehört mehr als nur "Danke" zu sagen und emotionale Spotkreationselemente zu spielen.

VERTRAUENSANKER WERDEN GESUCHT 

In unsicheren Zeiten sorgen wir uns, die Kontrolle über unser Leben zu verlieren. Eine Forsa Umfrage der Mediengruppe RTL belegt, dass fast jeder dritte Befragte (31%) sich aufgrund von Corona (große) Sorgen macht.** Vier von fünf dieser „Sorgenvollen“ (80%) nutzen jetzt gezielt Medien, denen sie besonders vertrauen. Generell genießen die klassischen Medien einen großen Vertrauensbonus in der Bevölkerung: Drei Viertel aller Befragten sagen, dass Nachrichten in klassischen Medien derzeit glaubwürdiger als Social Media News sind.

 

Die langfristigen Auswirkungen der Krise sind zum jetzigen Zeitpunkt zwar schwer einzuschätzen, das Zukunftsinstitut stellt aber vier Szenarien zu möglichen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft zur Diskussion:***

Als Neo Tribes beschreibt das Zukunftsinstitut die gesellschaftliche Entwicklung zurück zu lokalen Strukturen. Aus einem Misstrauen gegenüber staatlichen Akteuren heraus erfolgt ein Rückzug ins Private, gleichzeitig wird Gemeinschaft im Kleinen gesucht. Re-Regionalisierung und ein Boom der Sharing Economy würden damit einher gehen.

Das zweite Szenario geht davon aus, dass Adaption stattfindet und sich eine resiliente Gesellschaft entwickelt. Die Erfahrungen aus der Corona-Krise führen dazu, dass Lieferketten hinterfragt werden, Produktionsbedingungen stärker in Kaufentscheidungen eingehen – und letztlich ein Gleichgewicht zwischen globalem und lokalem Handel entsteht. Auch in anderen Themenbereichen wie bei der Gesundheitsversorgung und Bildung hätte Corona dazu geführt, den produktiven Umgang mit Krisen zu lernen.

In einem permanenten Krisenmodus befände sich die Welt im dritten Szenario („System-Crash“), in dem selbst geringe Auslöser zu drastischen Maßnahmen führen würden. Das vierte Szenario schließlich beschreibt die totale Isolation, in dem der Shutdown zum Normalzustand einer "Super-Safe-Society" geworden ist.

Kommt die grosse Party

Die Lockerungen der vergangenen Tage zeigen, dass die letzten beiden Negativ-Szenarien aller Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen werden. Ob bei weiterhin rückläufiger Entwicklung der Neuinfektionen als nächstes dann stattdessen eine Welle des Hedonismus über das Land rollt, bleibt fraglich. Die Wochen der starken Beschränkungen haben viele Menschen zum Nachdenken über grundsätzliche Themen angeregt - umso wichtiger ist es für Marken, jetzt sehr aufmerksam die sich verändernden Wertevorstellungen ihrer Zielgruppen zu verfolgen.

Denn traditionelle Werte wie Familie, Sicherheit oder Vertrauen könnten auch nach der Krise dauerhaft höhere Bedeutung behalten. Denn 63 Prozent der Personen, die in 2- oder Mehr-Personen Haushalte leben, genießen laut der Befragung der Mediengruppe RTL die zusätzliche Zeit mit der Familie - nur 15 Prozent erleben die Dauerpräsenz der Familie als anstrengend.

Chancen für Marken

Welche Botschaften Verbraucher von Marken in der Krise erwarten, haben wir in der letzten Ausgabe unseres Newsletters gezeigt. Natürlich müssen auch nach der Krise Haltungen, Botschaften und Werte, die jetzt kommuniziert werden, beibehalten und bestätigt werden.

Erfolgreiche Marken sind wie gute Freunde: Sie können den Sorgenvollen neuen Halt geben und die Sorglosen in ihrer Unbekümmertheit unterstützen. Entschleunigung und Sicherheit vermitteln, dabei aber auch Bedürfnisse nach Erlebnissen erfüllen. Wenn Marken in ihrer Kommunikation die gestiegene Bedeutung emotionaler Werte wie Freiheit, Gemeinschaft und Freundschaft aufgreifen, sind sie am Puls der Zeit.

Weiterführende Informationen

*pilot Radar KW17/18, über 1.000 repräsentative Online-Interviews, Erhebungszeitraum: 23./24.4.2020.

** Forsa Online-Inhome-Befragung im Auftrag der Mediengruppe RTL, Data & Audience Intelligence: „Werte und Einstellungen in Zeiten von Corona“, n=1.007 Befragte, Befragungszeitpunkt: 25. März 2020.

*** Zukunftsinstitut: „Der Corona-Effek. Vier Zukunftsszenarien" (White Paper).